Julia Extra Band 0303
waren sie am Cottage angekommen, und Kirsten war sich Rowes Gegenwart viel zu bewusst, als sie mit bebenden Händen die Haustür aufschloss, während sie fieberhaft nach einer Ausrede suchte, ihn nicht auch noch hereinbitten zu müssen. Sobald die Tür sich öffnete, stürzte Jeffrey an ihr vorbei, und Kirsten erkannte sofort die Chance, ihren unfreiwilligen Begleiter endgültig loswerden zu können.
„Vielen Dank für Ihre Begleitung“, warf sie über die Schulter nach hinten. „Wir sehen uns dann morgen im Büro.“
Doch Rowe war aus einem noch härteren Material geschnitzt, als sie bereits befürchtet hatte. „Sie haben Ihren Sohn gehört. Sie haben Schmerzen, und wir müssen uns um Ihre armen Füße kümmern.“
Langsam drehte Kirsten sich herum und holte tief Luft. „Denen geht es schon viel besser, außerdem habe ich bereits den Schildkrötensessel angeboten bekommen.“
„Ein Angebot, das Ihren Sohn den Sieg bei Doom Planet kosten könnte“, erinnerte Rowe sie unerschrocken. „Ich habe zwar nicht die leiseste Ahnung, was ihm dann geschieht, aber verlieren tut niemand gern, oder?“
„Man verwandelt sich in irgendetwas Formloses …“, murmelte Kirsten nach einer Pause.
„Und das würden Sie Ihrem Sohn lieber zumuten, als von mir Hilfe anzunehmen?“, fragte Rowe fassungslos.
Kirsten schnaubte. „Er und sein Freund Michael haben diese Metamorphose schon etliche Male ohne bleibende Schäden überstanden!“
„Trotzdem sollten Sie nicht so ohne Weiteres eine Fußmassage von einem Experten ausschlagen. Beim Autorennen gehören Fuß- und Beinprobleme sozusagen zur Tagesordnung. Daher rührt auch meine Erfahrung in …“
„Vielleicht für ein paar Minuten …“, hörte Kirsten sich zu ihrem Entsetzen sagen.
Hatte der stechende Schmerz in ihren Füßen etwa auch ihren Verstand in Mitleidenschaft gezogen? Oder war sie es einfach leid, immer nur gegenanzureden? Oder …
Egal! Auf jeden Fall war es zu spät, den Rückzug anzutreten, denn Rowe hatte sich wieselflink an ihr vorbeigedrückt und stand jetzt mitten in ihrem Wohnzimmer, das sie bisher für ziemlich geräumig gehalten hatte.
„Endlich sind Sie vernünftig geworden“, stellte er erfreut fest und schaute ungeniert um sich. „Wir wollen doch nicht riskieren, dass Sie womöglich ausfallen, bei dem Berg von Arbeit, den wir beide vor uns haben. Nett hier …“
Unbefangen wanderte er in dem hellen Raum umher, begutachtete interessiert die leichten Möbel und bunten Stoffe und blieb schnuppernd vor einem Bukett aus Orchideen und wildem Farn stehen. „Wenn man bedenkt, dass die meisten Orchideen überhaupt keinen Geruch verströmen, ist es umso erstaunlicher, wie viele unserer einheimischen Sorten so wundervoll duften.“
Kirsten war ihm mit den Augen gefolgt und hatte das sonderbare Empfinden, mit jedem seiner Schritte schrumpfe der Raum noch mehr in sich zusammen. Aber vielleicht beruhte dieser Eindruck auch auf dem zunehmenden Engegefühl in ihrer Brust.
„Darüber habe ich noch nie nachgedacht“, murmelte sie rau und beglückwünschte sich gleichzeitig dazu, dass die einzigen Familienfotos von Natalie und Jeffrey als Baby vorübergehend in einer Schublade untergebracht waren. Kirsten hatte sie neu rahmen wollen, dann aber keine Zeit dafür gefunden. Vielleicht war es ja eine Art Vorsehung gewesen?
„In meiner Zeit als Formel-1-Pilot habe ich den Geruch der Carramer-Orchideen schrecklich vermisst. Wie vieles andere auch, das einem erst fehlt, wenn man es plötzlich nicht mehr täglich um sich hat.“
Was sollte sie dazu sagen? Ganz sicher bezog er sich damit weder auf Natalie noch auf seinen Sohn. Die Verbindung konnte er zum Glück durch nichts herstellen. Dennoch berührten seine Worte sie tief in ihrem Innern und weckten schmerzliche Erinnerungen.
So wie Rowe es beschrieb, ging es Kirsten, wenn sie an ihre Familie dachte. Ihre Eltern waren beileibe nicht perfekt gewesen, dennoch hatte Kirsten sie geliebt. Ebenso wie Natalie. Selbst, wenn sie und Nat nicht immer einer Meinung gewesen waren, bereute sie nachträglich jede verpasste Gelegenheit, bei der sie ihrer jüngeren Schwester nicht ihre Zuneigung gezeigt hatte. Jetzt war es zu spät.
„Ich glaube, ich schau lieber mal nach Jeffrey.“ Unter diesem Vorwand wollte sie aus Rowes beunruhigender Nähe flüchten, ehe ihr noch etwas Unbedachtes entschlüpfte. Doch in der Tür zu ihrem kleinen Arbeitszimmer, wo der Computer stand, hatte er sie bereits eingeholt.
„Ist das
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