Julia Extra Band 0303
ihrem Sohn hinüberschaute, der auf der breiten Fensterbank kniete, von wo aus er die ganze Dorfwiese überblicken konnte. Plötzlich sprang er herunter und rannte zur Haustür.
„Er ist da! Vicomte de Aragon ist da!“
„Warte, Jeffrey!“, versuchte sie den Jungen zurückzuhalten, doch der hörte sie schon nicht mehr.
Sekunden später stand Rowe in der Küchentür und ließ seinen Blick anerkennend über Kirstens enge Jeans und das knapp sitzende smaragdgrüne T-Shirt gleiten. Ein passendes Haarband hielt die Fülle ihrer roten Locken im Zaum. Sie hatte sich eingeredet, sich nicht ausstaffiert zu haben, um ihm zu gefallen, doch inzwischen zweifelte sie daran.
„Ich hol schnell meinen Drachen, Mr. Vicomte!“, versprach Jeffrey aufgeregt.
Rowe lachte und ging in die Knie, um mit dem Jungen auf gleicher Augenhöhe zu sein. Das ließ die Ähnlichkeit zwischen den beiden noch frappierender erscheinen, und Kirsten hielt automatisch den Atem an.
„Warum nennst du mich nicht einfach Rowe, wie alle meine Freunde?“
Jeffrey runzelte die glatte Kinderstirn. „Ich dachte, dein Name ist Vicomte.“
„Das ist mein Titel, so wie Prinz oder Prinzessin.“
Das Stirnrunzeln vertiefte sich, als er seine Mutter anschaute. „Habe ich auch einen Titel?“, wollte der Knirps wissen.
„Aber sicher“, antwortete Rowe für sie, und Kirsten blieb vor Schreck fast das Herz stehen. „Dein Titel ist Master Bond .“
Jeffrey kicherte fröhlich, und seiner Mutter fiel es plötzlich ganz leicht, mit einzustimmen. „Das ist witzig. Mommy sagt, ich kann mich entweder Jeff oder Jeffrey nennen. Ganz, wie ich will.“
Rowe schaute Kirsten über den Kopf ihres Sohnes hinweg in die Augen, und sie spürte, wie sie errötete. Ob man ihr ansah, dass sie kaum vier Stunden geschlafen hatte? Oder womöglich auch, dass sie an nichts anderes mehr denken konnte als an seinen leidenschaftlichen Kuss?
Mit einem zufriedenen Lächeln wandte Rowe sich wieder an den Jungen. „Und welcher Name gefällt dir besser?“
Jeffrey zuckte mit den Schultern.
„Ich habe auch zwei Namen. Romain und die Kurzform Rowe.“
„Und warum?“
Kirsten fuhr ihrem Sohn mit der Hand durchs dichte dunkle Haar. „Du fragst zu viel. Hol lieber deinen Drachen.“
„Der ist in meinem Zimmer.“ Zutraulich umfasste der Junge die Hand seines neuen Freundes. „Möchtest du es sehen?“
„Ich bin sicher, Rowe will nicht …“ Doch bevor Kirsten ihren Satz zu Ende sprechen konnte, waren die beiden schon auf der Treppe zum Obergeschoss. Als Rowe ihr ein entschuldigendes Lächeln über die Schulter zuwarf, beschleunigte sich ihr Herzschlag. Sie kannte ihn erst wenige Tage, aber es kam ihr viel, viel länger vor.
Kirsten wusste, dass sie den beiden folgen sollte, doch sie zögerte. Rowe auch noch zusammen mit seinem Sohn in dessen kleinem Kinderreich zu sehen …
Plötzlich fiel ihr das Bild im Kinderzimmer ein, das Natalie und sie zusammen mit dem frisch geborenen Baby zeigte. Wie der Blitz schoss Kirsten die Treppe hinauf. Rowe hockte neben Jeffrey auf dem Boden und half ihm dabei, die winzigen Modellrennwagen auf die elektrische Rennbahn zu verfrachten. Die war sein heißester und einziger Wunsch zum letzten Weihnachtsfest gewesen, den sie ihm nur widerstrebend erfüllt hatte.
Schnelle Autos! Noch eine Gemeinsamkeit zwischen Vater und Sohn, dachte sie bei sich, während sie so unauffällig wie möglich Jeffreys Teddy mit dem Ellenbogen vor den Bilderrahmen schob.
„So, der Kurs ist jetzt perfekt. Lass uns endlich das Rennen starten“, forderte Rowe, der Kirsten plötzlich nicht älter erschien als sein Sohn. Stumm schaute sie den beiden eine Weile zu, und ihr wurde einmal mehr klar, dass sie solch innige Szenen verhindern musste, ehe es zu spät war.
„Wenn ich groß bin, möchte ich auch Rennfahrer werden!“
Kirstens Herz sank. Sie schaute in das glückliche Gesicht ihres Sohnes, sah die glänzenden Augen und glühenden Wangen. So aufgedreht und begeistert hatte sie ihn noch nie erlebt.
„Bis dahin vergeht noch viel Zeit“, sagte Rowe glücklicherweise. „Was denkst du, wollen wir jetzt unseren Drachen steigen lassen?“
Unseren Drachen ! So weit war es also schon!
Unversehens erinnerte Kirsten sich an etwas, was Rowe gesagt hatte: Ich lasse mich nicht so leicht ausschließen …
Nur war es jetzt sie , die sich plötzlich ausgeschlossen fühlte. Und das gefiel Kirsten gar nicht. Deshalb beschloss sie spontan, die beiden zu begleiten.
Drei
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