Julia Extra Band 0303
wirkte wie Balsam auf ihre zerrütteten Nerven. „Wir sind beide hier.“ Damit richtete er den Lichtschein auf seinen Schoß, in dem Jeffrey zusammengerollt wie ein kleines Kätzchen lag.
Kirsten ließ sich auf die Knie fallen und schloss ihren Sohn, der über seinem Pyjama nur die Jacke seiner Schuluniform trug, ganz fest in die Arme. Dass sie dabei quasi auch Rowe umarmte, war ihr ebenso recht.
„Sweetheart …“ Ihre Stimme bebte vor unterdrückten Emotionen. „Was machst du nur hier?“
„Auf dich und meinen Daddy warten, damit ihr mich abholt.“
Kirstens Herz schlug bis zum Hals, während sie Rowes Blick suchte.
„Ja, ich habe es ihm erzählt“, beantwortete er ihre unausgesprochene Frage.
„Aber woher wusstest du, dass er hier sein würde?“
„Es dämmerte mir in dem Moment, als du sagtest, dass er uns zusammenbringen wollte. Erinnerst du dich an unseren ersten Tag … als wir ihn gemeinsam von der Schule abgeholt haben …?“
Kirsten nickte unter Tränen. Natürlich erinnerte sie sich! Wie sollte sie diesen Tag je vergessen können?
„Dann lass uns zusammen nach Hause gehen …“, sagte sie leise.
Rowe hatte sie keine Sekunde aus den Augen gelassen. Jetzt schaute er auf seinen Sohn hinunter, dann wieder die Frau an, die er liebte. „Für immer?“
Kirsten lächelte unter Tränen. „Für immer …“ Es hörte sich an wie ein Schwur.
„Aber vorher müssen wir noch heiraten“, meldete sich eine kleine, verschlafene Stimme zwischen ihnen.
Die Erwachsenen brachen in ein erleichtertes Lachen aus. „Das könnte zu einem Problem werden, mein Sohn“, gab Rowe zu bedenken. „Denn eine königliche Hochzeit kann nicht einmal ich über Nacht arrangieren.“
„Wollen wir nicht einfach durchbrennen?“, schlug Kirsten übermütig vor.
„Was ist durchbrennen?“, fragte Jeffrey sofort.
„Das, was du heute Nacht gemacht hast … weglaufen.“
„Wir alle drei zusammen?“, fragte der Knirps zweifelnd. „Können wir das nicht irgendwann später machen? Ich bin nämlich schrecklich müde …“ Und mit den letzten Worten waren ihm auch schon die Augen wieder zugefallen.
Lächelnd schauten sich seine Eltern an. „Na, was sagst du zu unserem Sohn?“, fragte Rowe und schämte sich kein bisschen dafür, dass seine Stimme vor Rührung bebte. „Hört sich das nicht wundervoll an … unser Sohn … unsere Tochter … “
„Aber wir haben doch gar keine …“
Rowe erstickte ihren Protest mit einem zärtlichen Kuss. „Noch nicht, meine Prinzessin … aber lass mir nur etwas Zeit, dann …“
„Aber nicht zu lange!“, protestierte sie und errötete sanft unter seinem hungrigen Blick.
EPILOG
Der Sitz neben Kirsten war bewusst frei geblieben. Ihr war egal, was andere darüber dachten. Sie hatte den Platz für Natalie reserviert. Es war eine symbolische Geste. Immerhin spielte der Sohn ihrer verstorbenen Schwester heute Abend die Hauptrolle in der Schultheateraufführung.
Sicher hätte Nat die Entwicklung gebilligt, die ihrer aller Leben letztendlich genommen hatte.
Kirsten konnte es selbst kaum glauben, dass sie bereits seit zwei vollen Monaten eine Vicomtesse de Aragon war. Selbst nach der feierlichen Zeremonie in der Taures Kathedrale und den magischen Flitterwochen auf Rowes abgeschiedener Insel glaubte sie immer noch zu träumen.
„Glücklich, Prinzessin?“, raunte Rowe ihr ins Ohr.
„Nervös“, flüsterte sie zurück und griff nach seiner Hand. „Was ist, wenn Jeffrey seinen Text vergisst?“
Sie sah, wie sich die Lippen ihres Mannes amüsiert verzogen. „Könnte das der Grund dafür sein, dass sein Lehrer mit einem aufgeschlagenen Buch unterm Arm in den Kulissen herumlungert?“
„Wie kannst du nur so ruhig sein?“, fragte sie vorwurfsvoll. „Er ist noch so klein.“
„Entspann dich. Als ich in Jeffreys Alter war, stand ich auch zum ersten Mal auf der Bühne.“
„Und? Hast du auch die Rolle des Fürsten übernehmen müssen?“
Jeffrey war nämlich dazu auserkoren worden, einen von Rowes ehrwürdigen Vorfahren zu spielen. Prinz Jacques de Ville de Marigny, den ersten Herrscher, der alle Inseln von Carramer bereist und zu einem Staat vereint hatte.
Rowe schüttelte den Kopf. „Ich war der rebellische Häuptling der letzten Insel, die ihre Selbstständigkeit unter keinen Umständen aufgeben wollte. Als besonders kreativer Schauspieler hetzte ich meine Truppe von Kopfgeldjägern auf die Soldaten des obersten Herrschers, bis mein Lehrer mich daran erinnerte,
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