Julia Extra Band 0303
von der Arbeit nach Hause gekommen war, hatte er sie hoch in die Luft geschwungen. Er hatte sie seine Prinzessin genannt. Er war immer freundlich gewesen …
Als sie nun Noah zusammen mit seiner Tochter sah, war ihr klar, dass zwischen den beiden eine wirklich enge Bindung herrschte. Olivia war kein verzogenes Balg, das nur seinen Willen durchsetzen wollte. Es ging ihr wirklich darum, bei ihrem Vater zu sein.
Weit hinten auf der Straße war eine Staubwolke auszumachen, ein Motor dröhnte. Mit ziemlicher Sicherheit kam da Liane angerast, um ihre Tochter zurückzuholen.
Kate zog sich diskret in die Küche zurück, was den anderen gar nicht aufzufallen schien.
Sie füllte den Kessel und setzte ihn auf, dann machte sie mit dem Abwasch weiter. Das Motorengeräusch wurde immer lauter, schließlich quietschten Bremsen im Hof, eine Autotür wurde zugeschlagen.
Kate schaute unauffällig durchs Fenster.
Liane blieb am Fuß der Verandatreppe stehen, die Hände in die Hüfte gestemmt, die grellrosa geschminkten Lippen verkniffen. Wieder war sie perfekt gestylt und sah mit ihrem fuchsienrosa Kleid, den hochhackigen Sandaletten und der riesigen Sonnenbrille wie einem Modemagazin entsprungen aus.
„Ich hoffe, du bist jetzt zufrieden, Noah“, begann Liane schrill.
Kate hatte nie Streitigkeiten zwischen ihren Eltern mitbekommen, weil ihr Vater ja schon starb, als sie erst fünf war. Ihre Mutter hatte auch nicht mehr geheiratet. Deren Eltern waren allerdings geschieden. Großvater Harrington war mit seinem Sohn Angus nach Australien gegangen, Frau und Tochter waren in England geblieben.
Kate erinnerte sich, wie verbittert ihre Großmutter immer gewesen war, wie gehässig oder verächtlich sie geklungen hatte, wenn das Gespräch auf Großvater Harrington kam. Sie hatte sich immer gefragt, wie solche Bitterkeit entstehen konnte. Jetzt sah sie es mit eigenen Augen, und in dem Drama, das sich hier abspielte, war die kleine Olivia sozusagen mitten zwischen die Fronten geraten.
Kate suchte gerade in der Speisekammer nach Keksen, die sie, falls gewünscht, zum Tee servieren konnte, als sie Schritte in der Küche hörte. Das musste Noah sein.
Sie ging zu ihm hinaus und stellte mitfühlend fest, wie unendlich müde er aussah.
„Darf ich dich um einen Gefallen bitten, Kate?“, begann er.
„Ja, klar. Wie kann ich dir helfen?“
„Könntest du dich noch mal um Olivia kümmern? Sie irgendwie beschäftigen?“ Er seufzte tief. „Ich muss das endlich ein für alle Mal mit Liane klären. In Ruhe.“
„Ich nehme dir Olivia gern ab“, versicherte Kate aufrichtig, fragte sich aber gleichzeitig, wie sie die Kleine unterhalten solle.
Kinderbücher und Spielzeug gab es nicht auf der Farm, für „süße“ Ferkel war auch nicht die richtige Zeit, und die Weiden waren leer. Zur Ablenkung fanden sich auf der von der Dürre gebeutelten Farm nur ein älterer Hütehund und vier Frangipanibäume.
Als sie daran dachte, kam ihr plötzlich eine Idee. Sie nahm einen Weidenkorb und suchte Olivia. Die saß vorn auf der Veranda auf der obersten Stufe, die Arme um die Knie geschlungen und den Blick ins Leere gerichtet.
„Hallo“, begrüße Kate die Kleine und setzte sich neben sie. „Ich wollte dich fragen, ob du mir hilfst, die Frangipaniblüten hier aufzuheben.“
„Wieso? Findest du, dass sie unordentlich aussehen?“, wollte Olivia wissen.
Kate lachte. „Nein, gar nicht. Aber man kann mit ihnen spielen. Wenn man sie umdreht, sehen sie wie winzige Damen in feinen Ballkleidern aus. Komm mit, dann zeig ich es dir.“
Sie stand auf und hielt dem Kind die Hand hin, doch es nahm sie nicht. Es stand nur zögernd auf und blieb stehen.
Die arme Kleine ist völlig verunsichert, sagte Kate sich mitfühlend. Sie ging die Treppe hinunter, hob eine schneeweiße Blüte auf und stellte sie umgekehrt auf ihre Handfläche.
Nun war Olivias Interesse doch geweckt, und sie kam ebenfalls die Stufen herunter. „Ja, die sehen fast aus wie Blumenelfen. Sie sind wirklich hübsch.“
„Das finde ich auch. Hilfst du mir jetzt, die Blüten aufzuheben?“
Olivia nickte, dann blickte sie mit zusammengekniffenen Augen hoch. „Bist du Daddys neue Freundin?“, erkundigte sie sich unerwartet.
„Um Himmels willen, nein!“, rief Kate, schrecklich verlegen. „Wie kommst du denn darauf?“
„Na ja, du wohnst hier, und du bist nett und hübsch.“
„Danke für das Kompliment, aber ich bin hier nur zu Besuch“, wehrte Kate ab. „Und ich habe einen festen
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