Julia Extra Band 0305
wissen wollte, ob du in Merrisand glücklich bist.“
„Weil es nicht so ist“, gab Amanda ohne Umschweife zurück. „Ich möchte zurück nach Eden Valley … Eure Hoheit“, fügte sie nach einem raschen Blick in Richtung ihres Vaters hinzu.
Na, wenigstens ein kleiner Fortschritt! „Ich habe dir doch angeboten, mich Miss Giselle zu nennen. Viele der anderen Kinder machen es genauso. Ich weiß übrigens sehr gut, wie es ist, sich an einem fremden Ort einleben zu müssen, ohne die gewohnten Freunde in der Nähe.“
„Woher sollten Sie das wissen, Miss Giselle?“, fragte Bryces Tochter fast verächtlich. „Sie sind eine Prinzessin.“
„Das heißt aber nicht, dass ich keine Gefühle habe. Als ich in deinem Alter war, beschloss der regierende Monarch, dass auch die königlichen Abkommen normale Schulen besuchen sollten, und so sah ich mich von einem Tag auf den anderen in eine völlig fremde Welt versetzt. Bis dahin hatte ich nur Einzelunterricht bei verschiedenen Privatlehrern gehabt.“
Bryce schien von dieser Vorstellung ebenso fasziniert zu sein wie seine Tochter.
„Und, wie war das für Sie?“, wollte Amanda wissen.
„Schrecklich fremd und manchmal beängstigend.“
„Sind Sie auch weggelaufen?“
Giselle schüttelte den Kopf. „Das hätte ich am liebsten getan, aber Prinzessinnen müssen sozusagen immer gute Miene zum bösen Spiel machen. Deshalb bin ich geblieben und habe versucht, mich einzuleben.“
„Ich werde mich hier niemals einleben …“ Das klang längst nicht mehr so aggressiv wie zuvor, eher resigniert.
„Vielleicht solltest du dir selbst ein wenig mehr Zeit geben. Zwei Monate sind doch gar nichts. Dein Vater hat mir erzählt, dass du gerne malst“, schnitt sie bewusst ein anderes Thema an. „Ich auch, und zwar sehr gerne. Manchmal lade ich eine Gruppe von Schülern zum Malen ins Château ein. Hättest du Lust, dabei zu sein?“
Amanda schwankte sichtlich zwischen Trotz und ihrer Leidenschaft fürs Malen. Die Begeisterung gewann. „Ja, bitte, wenn es dir recht ist, Daddy …“
„Kommt auf dein Benehmen in den nächsten Tagen an, junge Lady“, sagte er ruhig. „Habe ich dein Wort, dass du nie wieder davonläufst?“
„Ja, Daddy.“
Er breitete die Arme aus, und Amanda stürzte sich mit kindlicher Vehemenz hinein. Wie gern wäre Giselle in diesem Moment an ihrer Stelle gewesen …
„Also gut, dann kannst du beim nächsten Mal hingehen. Was sagst du zur Prinzessin?“
„Vielen Dank, Eure Hoheit“, haspelte das Mädchen herunter und vollführte sogar so etwas wie einen Hofknicks, bevor sie sich auf Anweisung ihres Vaters zurückzog, um ihre Hausaufgaben zu machen.
„Wie oft finden diese Malstunden statt?“, fragte Bryce, nur, um überhaupt etwas zu sagen.
Giselle kämpfte mit sich, ob sie aufrichtig sein oder rasch etwas erfinden sollte. „Ich denke, Sie wissen sehr gut, dass es nur die Eingabe eines Augenblicks war“, gab sie steif zurück. „Aber nun werde ich diese Malstunden organisieren. Sobald der erste Termin feststeht, werde ich Amanda Bescheid geben.“
„Ich bin sehr wohl in der Lage, die Probleme meiner Tochter selbst zu lösen, Eure Hoheit“, antwortete er mit dem gleichen spröden Tonfall, was Giselle ein unwilliges Schnauben entlockte.
„Meine Güte! Sie sind ja empfindlicher als eine Mimose! Vielleicht interessiert es Sie, dass ich auch in Kunstgeschichte und Malerei einen akademischen Grad habe.“ Noch während sie sprach, wusste Giselle, dass sie besser geschwiegen hätte, und versuchte zu retten, was sie konnte. „Das qualifiziert mich zwar als Zeichenlehrerin, aber nicht als Elternteil. Da sind Sie mir mit Ihrer Erfahrung um Meilen voraus.“
Sie wartete auf seine Reaktion, aber da nichts kam, nahm sie noch einmal Anlauf.
„Ich bin nur der Meinung, man sollte alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um zu versuchen, ein Kind glücklich zu machen.“
Bryce nickte langsam. „Okay, Amanda kann bei dem Zeichenkursus mitmachen.“
Es hörte sich an, als bringe er ihr damit ein großes Opfer, und Giselle fühlte, wie sich ihre Stacheln aufstellten. Wer hier wohl wem einen Gefallen tat! Innerlich schäumte sie vor Empörung, ließ sich aber nach außen nichts anmerken.
War sie etwa nur deshalb so pikiert, weil er ihr mit seiner ablehnenden Haltung nicht deutlicher als mit harschen Worten vermitteln konnte, dass er an ihr als Frau kein bisschen interessiert war?
Unsinn! Sie interpretierte schon wieder viel zu
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