Julia Extra Band 0305
unmittelbar und schmerzhaft gespürt wie jetzt.
„Geht es dir gut?“ Sie hörte den leisen Tadel in Demos’ Stimme.
Nervös strich sie sich das Haar aus dem erhitzten Gesicht. „Ja, alles in Ordnung. Efharisto, efharisto … vielen Dank.“
Erleichtert lehnte sie sich im Stuhl zurück und verbarg das Gesicht hinter der Speisekarte, als Demos und sie endlich allein am Tisch saßen.
„Die Leute haben dich verwirrt“, stellte Demos fest.
„Ich war etwas überwältigt“, gab sie zu. „Kommst du oft hierher?“
„Sooft ich kann. Eigentlich wollte ich ganz hier leben, aber meine Arbeit ließ es nicht zu.“
„Würdest du denn das Nachtleben nicht vermissen? Die Bars, die Partys …“ Die Frauen. Die Affären.
„Früher vielleicht. Jetzt nicht mehr.“
„Warum?“
Ungeduld spiegelte sich in seinen Zügen. „Weil ich verheiratet bin, Althea.“
„Verheiratet zu sein bedeutet doch nicht, dass man nicht mehr ausgehen kann.“
„Ich hoffe“, sagte er leise und drohend, „du hast nicht vor, deine alten Gewohnheiten wieder aufzunehmen, wenn wir wieder in Athen sind.“
„Was genau meinst du?“
Seine Stimme und sein Blick wurden eisig. „Dich mit Männern wie Angelos Fotopoulos herumzutreiben, mit ihnen zu tanzen und zu trinken …“
Althea lachte ungläubig. „Du wolltest mich heiraten, damit ich nicht auf Leute wie ihn angewiesen bin. Denkst du, ich hätte Lust auf seine Gesellschaft?“
„An jenem Abend im Club schien es der Fall zu sein.“
„Da irrst du dich.“ Sie lehnte sich über den Tisch, das Gesicht halb verborgen hinter ihrem langen dunklen Haar. „Ich kann nicht fassen, dass du immer noch glaubst …“ Sie betrachtete seine zornigen Augen, den grimmigen Zug um seinen Mund. „Bist du etwa eifersüchtig?“ Eine winzige Hoffnung keimte in ihr auf.
„Ach was“, meinte er barsch und warf seine Serviette auf den Tisch. „Ich weiß nicht, was ich von dir halten soll, Althea.
Ich weiß nicht, wer du bist.“
Sie blinzelte, schluckte trocken. „Nein, das weißt du nicht.“
„Sag es mir.“
Sie schüttelte den Kopf.
„Du verbirgst etwas vor mir“, sagte er. „Irgendetwas hat dir Angst eingejagt. Vor Männern. Vor Sex. Vor mir.“
„Nein …!“
„Doch. Ich verstehe nur nicht, weshalb du dann in Nachtclubs gehst und mit Kerlen wie Angelos schläfst.“ Seine Stimme wurde zu einem eindringlichen Flüstern: „Weshalb wirfst du dich an andere weg und weist mich zurück?“
Althea kämpfte mit den Tränen. Tränen! Es war nicht zu fassen. „Du irrst dich, so ist es nicht.“
„Dann sag mir, wie es ist.“
Ihre Kehle schmerzte, ihre Augen brannten. Sie öffnete den Mund, unsicher, was sie sagen, wo sie anfangen sollte. Im selben Moment landete eine schwere Männerhand auf ihrer Schulter.
„Demos, wieso hast du mir diese Grazie vorenthalten?“
Althea wurde stocksteif, als die fremden Finger die zarte Haut unterhalb ihres Schlüsselbeins massierten. Sie fuhr herum und blickte in das feiste Gesicht eines Mannes in den Fünfzigern, der sie breit angrinste, ein gieriges Funkeln in den kleinen Augen. Oder war es ein väterlich-freundliches Lächeln, das sie nur falsch interpretierte?
„Hallo, Esteban“, sagte Demos nicht eben herzlich. „Darf ich vorstellen, meine Frau Althea.“ Er erhob sich, half Althea beim Aufstehen.
„Sie ist reizend, ein wahres Juwel“, schwärmte der Mann, während sein Blick lüstern über sie hinwegglitt – oder täuschte sie sich?
Unsicher sah sie zu Demos hinüber.
„Ja, allerdings“, erwiderte dieser kurz angebunden.
„Ein Kuss für die Braut“, sagte Esteban mit dröhnender Stimme und wollte sie an sich ziehen.
Althea erstarrte. Sie sah den Mund des Mannes vor sich, der sich dem ihren in eindeutiger Absicht näherte, spürte seinen heißen Atem an ihrem Gesicht. Und endlich regte sich Widerstand in ihr.
Sie konnte sich nicht noch einmal von einem Mann küssen lassen, von dem sie nicht geküsst werden wollte. Schon gar nicht in Demos’ Beisein. Sie würde nicht dulden, dass dieser widerliche Fremde sie begrapschte.
Endlich begehrte sie auf. Endlich war der Punkt erreicht, da ihre mühsam aufrechterhaltene Fassade zu Bruch ging. Erstaunlicherweise empfand sie es als Erleichterung. Es war, als würde ein Knoten platzen.
Mit einem Aufschrei riss sie sich los. Sie vernahm den scharfen Laut, als der Ausschnitt ihres Kleides unter Estebans groben Fingern zerriss, sah, wie sich Demos’ Miene verfinsterte. Es war ihr
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