Julia Extra Band 0309
beide Hände aus den warmen Jackentaschen und streckte sie kapitulierend aus. „Ich habe mehrmals versucht, dich auf dem Handy zu erreichen, aber du hast nicht abgenommen. Deshalb habe ich Adele angerufen.“
„Adele?“
Rosalind sah ihn finster an.
„Jedenfalls hat sie mir gesagt, dass ich dich mitten in der Nacht an diesem gottverlassenen Ort finden würde.“
Er ging auf sie zu, doch der Blick aus ihrer Brille, mit der sie ebenso schlau wie sexy aussah, verriet ihm, dass sie alles andere als glücklich war, ihn zu sehen.
Er machte ihr keinen Vorwurf. Er hatte sich genauso aufgeführt wie Dylan als Kind, wenn er das Schachbrett leer fegte, sobald das Spiel nicht nach seinen Vorstellungen verlief.
„Kannst du den Schlagstock weglegen?“, fragte er. „Das Ding macht mich nervös.“
Rosalind legte das Stativ auf einen Rucksack und richtete sich wieder auf, wobei ihre grauen Augen ihn keine Sekunde aus den Augen ließen. „Jetzt weiß ich zwar, wie du hergekommen bist, aber nicht warum. Beeil dich. Ich muss wieder an die Arbeit.“
„Ich habe durch mein Schlafzimmerfenster den Himmel betrachtet, und da fiel mir ein, wie du gesagt hast, dass man die Sterne erst richtig gesehen hat, wenn man sie von hier aus gesehen hat.“
Sie starrte ihn über den Rand der Brille hinweg an. „Da hast du dir die falsche Nacht ausgesucht.“ Sie ließ seinen Blick los und schaute in einen klaren Himmel. „Na so was. Vor fünf Minuten habt ihr euch noch alle versteckt. Aber kaum kommt er angetanzt, seid ihr plötzlich alle wieder da. Launische Brutalos, seid ihr, alle miteinander.“
Sie sah ihn düster an. „Na, dann los. Du brauchst nur hinsehen.“
Cameron blickte in den klaren Himmel, und da war sie. Die Milchstraße. Sie erstreckte sich quer über den Himmel, als hätte jemand einen Beutel Juwelen auf schwarzem Samt ausgebreitet.
Er sah sie an, die Nase gen Himmel gerichtet, das Kinn entschlossen. Ihr langer blasser Hals und das gewellte Haar glänzten im Mondlicht.
Als spürte sie, dass er sie beobachtete, senkte sie den Kopf gerade genug, um ihm in die Augen sehen zu können. Sie blinzelte ihn an, dann beugte sie sich zum Teleskop. Sie drehte an Knöpfen, bewegte behutsam den Hebel, wechselte Filter und stellte dann vorsichtig scharf.
Eine Minute später trat sie zurück, um ihm Platz zu machen. Er blickte durch das Objektiv, und was er sah, raubte ihm tatsächlich den Atem.
Sie hatte ihm die angeleuchtete Seite des Mondes eingestellt. Krater und Plateaus in schlichtem Weiß und Grau, die zur dunklen Seite hin verblassten. So weit weg, und doch fühlte es sich so nah an.
Er richtete sich wieder auf, sah blinzelnd zum weißen Halbmond am Himmel und sagte: „Außerdem bin ich hergekommen, weil unser Gespräch noch nicht beendet war.“
Er spürte, wie Rosalind neben ihm die Arme verschränkte. „Oh, ich glaube, wir hatten beide reichlich Gelegenheit, alles zu sagen, was wir sagen wollten.“
„Kann ich … Wenn ich dich nicht geküsst hätte …?“
Sie schauderte, und er wusste, diesmal lag es nicht an der Kälte. Er wollte ihr seine Jacke um die Schultern legen, doch er wusste auch, dass sie dafür längst nicht bereit war. Noch nicht.
„Was willst du von mir, Cameron?“
„Die Wahrheit?“
„Gern.“
„Es hat mir nicht gefallen, dass du gegangen bist.“
Sie schwieg.
„Ich habe die Zeit mit dir sehr genossen. Ich liebe deine Offenheit. Dir wird nicht entgangen sein, dass es mir wahnsinnig schwerfällt, die Finger von dir zu lassen. Und an all dem hat sich nichts geändert. Ich hatte gehofft, wir könnten so lange miteinander ausgehen, wie wir beide Gefallen daran finden. Aber keine Minute länger.“
Er spürte, wie sie einatmete. Ausatmete. „Und wer entscheidet, wann das ist?“
„Du, wenn es überhaupt so weit kommen muss.“
„Und wenn ich glaube, dass diese Minute längst gekommen ist?“
„Glaubst du das denn?“
Sie sah ihn misstrauisch an.
„Ich will dir nicht wehtun“, sagte er.
Sie hob das Kinn. „Ich habe nicht vor, mir wehtun zu lassen.“
Sie sprach im Präsens. Und obwohl sie ihn nicht anlächelte, war ihr Blick doch nicht mehr so feindselig. Die Wucht seiner Erleichterung überraschte ihn.
„Ist dir nicht kalt?“, fragte sie.
Er bemerkte, dass er zitterte. Sie war so dick eingepackt, als wollte sie eine Woche auf dem Mount Everest verbringen, doch er trug noch immer Jeans, T-Shirt und Trainingsjacke.
„Eiskalt“, sagte er. Er rieb mit den Händen
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