Julia Extra Band 0309
„Emily hat gesagt, du bist in Asien. Dass du es nicht schaffen wirst, zur Hochzeit zu kommen.“
„Wusstest du das denn nicht?“, meinte er überheblich. „Ich kann zaubern.“ Er nickte Andrew zu. „Oppenheimer. Ich erinnere mich an Sie.“
„Und ich mich an Sie, Navarre. Aber die Dinge liegen jetzt anders. Sie werden mir keinen Tanz mehr vor der Nase wegschnappen.“
Statt einer Erwiderung richtete Alexander nur stumm den Blick zurück auf Lia.
Er schien wirklich zaubern zu können. Denn innerhalb von Sekundenbruchteilen wandelte der Winter sich zurück in den Sommer, jenen Sommer, als sie die Hitze seiner Haut im weichen Gras auf sich gespürt hatte. Selbst nach anderthalb Jahren war die Erinnerung so frisch, als wäre es gestern gewesen.
Und dann fuhr ihr ein kalter Schauder über den Rücken. Ruby! Wenn er es herausfand …
Nach so langer Zeit hatte sie sich sicher vor ihm gewähnt, vor allem, da jeder in der New Yorker Gesellschaft Ruby für Giovannis Tochter hielt, geboren neun Monate nach seinem Tod.
„Du bist schöner denn je“, raunte er ihr zu.
„Ich hasse dich.“ Sie wandte sich nach vorn.
Sein leises Lachen sandte ihr einen Schauer über den Rücken. Was machte er hier? Wieso war er gekommen? Was wollte er?
Nicht deinetwegen ist er gekommen, sondern zur Hochzeit seines besten Freundes, beruhigte sie sich in Gedanken. Aber die Art, wie er sie ansah … Als wolle er sie rauben, wie ein Wikinger auf Beutezug. So als wolle er sie in Besitz nehmen, bis sie unter seinen Liebkosungen vor ungewollter Lust laut stöhnte …
Die Orgel setzte ein, spielte den Hochzeitsmarsch. Die Gäste erhoben sich und drehten sich zur Tür, gespannt den Einzug der Braut erwartend.
Emily, ganz in Weiß, wurde von ihrem Vater zum Altar geführt. Ihr Gesicht strahlte vor Glück. Und ja, Emily hatte es verdient, glücklich zu sein. In den letzten beiden Jahren war Emily Saunders nicht nur Lias Sekretärin gewesen, sie war auch zu einer engen Freundin geworden.
Doch während Lia Emily herzlich zulächelte, war sie sich Alexanders Gegenwart viel zu bewusst. Sie hätte nur die Hand auszustrecken brauchen, um ihn zu berühren. Aber sie musste ihn gar nicht berühren, um seine Nähe zu spüren, auch, als sie sich wieder mit Andrew und den anderen Gästen auf die Bank setzte, um die Trauungszeremonie zu verfolgen.
Als das Brautpaar schließlich zusammen durch das Mittelschiff die Kathedrale verließ, um als Mann und Frau das gemeinsame Leben zu beginnen, fuhr Lia ihre Einsamkeit wie ein Dolchstoß durchs Herz. Natürlich freute sie sich für Emily, freute sich wirklich, doch sie fühlte sich verlassener denn je. Sie wünschte, sie könnte auch so eine Liebe erfahren, um ihrer Tochter die Familie zu geben, die Ruby verdient hatte. Ein liebevolles Heim, einen liebenden Vater.
Aber kein Vater war immer noch besser als ein kaltherziger Mistkerl wie Alexander Navarre! Wenn er herausfand, dass es sein Kind war, was würde er tun? Würde er sich in ihr Leben drängen? Würde er darauf bestehen, Zeit mit seiner Tochter zu verbringen? Würde er das Kind als Waffe benutzen? Es einer endlosen Folge von seinen kurzfristigen Freundinnen und Affären aussetzen?
Nein, sie durfte nicht zulassen, dass er Rubys Leben zerstörte, so wie er schon Lias Familie zerstört hatte. Er durfte nichts von Ruby erfahren, vor allem, da er der Einzige war, der wusste, dass die Kleine nicht Giovannis Tochter sein konnte.
Andrew nahm jetzt ihre Hand und führte sie mit sich aus der Bank. Die Gäste schickten sich an, die Kathedrale zu verlassen. Alexander trat vor sie hin, seine dunklen Augen schienen Andrew nicht einmal zu registrieren. „Ich begleite dich zum Empfang, Lia.“
„Gehen Sie aus dem Weg, Navarre“, knurrte Andrew. „Sehen Sie denn nicht, dass sie mit mir zusammen ist?“
„Stimmt das?“ Alexanders Blick hielt sie gefangen. „Du bist mit ihm zusammen?“
Seit mehreren Monaten ging sie nun regelmäßig mit Andrew aus, etwas anderes als ihre Hand und ihre Wange zu küssen hatte er nicht getan. Natürlich wollte er mehr, doch sie erlaubte es ihm nicht. Noch immer hoffte sie darauf, dass sie irgendwann zumindest eine gewisse Leidenschaft für Andrew empfinden würde. Andrew wäre ein guter Ehemann, ein guter Vater für Ruby. Er war genau das, was sie und Ruby brauchten.
Und auch wieder nicht. Lia schluckte. „Ja, es stimmt.“ Sie umklammerte die Hand des älteren Mannes fester. „Wenn du uns dann entschuldigst
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