Julia Extra Band 0309
den Motor ab und ging um den Wagen herum, ohne Lia auch nur eines Blick zu würdigen. Sanft schüttelte er Mrs. O’Keefe an der Schulter.
„Mrs. O’Keefe, wir sind da.“
Die Nanny öffnete die Augen und schnappte begeistert nach Luft, als sie das Haus erblickte. „Das ist ja wunderschön! Ist das Ihr Zuhause?“
„Für ein paar Tage.“ Alexander öffnete den Gurt des Kindersitzes und hob Ruby behutsam auf seinen Arm. Sicher hielt er das Baby an seine breite Brust gelehnt.
Lia spürte den Stich in ihrem Herzen. Wie lange hatte sie von genau diesem Bild geträumt – der Vater, der seine Tochter zärtlich an sich drückte? Eigentlich seit dem Moment, da sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte. Sie wünschte sich so sehr, ihrer Tochter einen liebenden Vater und ein liebevolles Heim bieten zu können.
Doch nie hatte sie damit gerechnet, dass, wenn dieser eine Traum wahr werden würde, ein anderer dafür sterben müsste.
Lia war jetzt zum zweiten Mal verheiratet. Ihr erster Mann hatte sie aus Pflichtgefühl geheiratet, ihr zweiter Mann, um sie zu bestrafen. Sie würde nie erfahren, wie es war, einen Mann wirklich zu lieben und diese Liebe erwidert zu sehen.
Ein Traum wurde wahr, doch der andere auf immer zerstört.
Oder vielleicht doch nicht? War es möglich, dass Alexander ihr eines Tages vergeben würde? Dass es ihr gelingen könnte, sein Vertrauen irgendwie zurückzugewinnen?
„Die Haushälterin wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen“, sagte er jetzt zu Mrs. O’Keefe.
„Sollte ich nicht erst Ruby zu Bett bringen? Sie hat im Flugzeug nicht richtig geschlafen …“
Er schüttelte den Kopf. „Das mache ich gleich. Ich hatte ja noch nie die Möglichkeit dazu.“
Der vorwurfsvolle Ton galt Lia, auch wenn Alexander sie nicht ansah. Er begrüßte die Haushälterin und das versammelte Personal und ging dann ins Haus, ohne auch nur ein Wort an Lia zu richten oder sie hineinzubitten.
Mit einem Kloß im Hals machte sie sich daran, ihrer Tochter und ihrem Mann zu folgen. Inzwischen zweifelte sie an der eigenen Existenz. So zuckte sie auch erschreckt zusammen, als die Haushälterin sie grüßte.
„Aloha, Mrs. Navarre.“
„Aloha.“ Mit einem Seufzer sah Lia sich um. „Es ist wunderschön hier. Ich wusste nicht, dass Alexander ein Haus auf Hawaii besitzt.“
Die Haushälterin räusperte sich. „Eigentlich gehört das Haus Paolo Caretti. Die beiden Männer sind befreundet. Er hat es ihm für eine Zeit lang überlassen.“
„Oh.“ Natürlich würde Alexander kein Haus besitzen. Selbst ein so grandioses Haus wie dieses hier würde ihn nicht dazu bewegen können, sich an einem Ort niederzulassen. Ihr Ehemann baute Häuser für andere. Sobald er damit fertig war, zog er weiter.
Und sosehr sie es sich auch wünschte, er würde wahrscheinlich nicht lange genug bleiben, um Ruby aufzuziehen. Auch wenn er seine Tochter liebte, würde er sie trotzdem allein lassen. Das war das Leben, das Alexander Navarre führte – keine dauerhaften Bindungen, weder an Orte noch an Menschen.
Lia reckte die Schultern. Sie würde gut daran tun, wenn sie sich diese Tatsache immer vor Augen hielt, denn sie hatte sich schon viel zu tief in seine Welt verstrickt. Seine traurigen Augen, als er ihr seine Familiengeschichte erzählte, hatten ihr das Herz zerrissen, und als sie sich in seiner Suite liebten, da hatte ihr Herz vor Glück laut gejubelt.
Also sollte sie froh und dankbar sein, dass er sie ignorierte. Dann würde sie sich nicht noch mehr in ihn verlieben.
Sie vernahm seine Schritte und folgte dem Geräusch durch das angenehm kühle Haus. Schließlich stand sie vor einem Kinderzimmer und beobachtete, wie Alexander seine Tochter zum Schlafen in ein Bettchen legte und luftig zudeckte.
„Brauchst du Hilfe?“, fragte sie flüsternd, weil sie das Schweigen nicht länger ertrug.
„Nein“, antwortete er, ohne sie anzusehen. „Dein Zimmer liegt am Ende des Korridors. Ich zeige es dir.“
Nach endlosen Stunden des Schweigens registrierte er zumindest ihre Anwesenheit. Das war doch immerhin etwas, oder? Trotz allem glomm ein Hoffnungsfunke in ihr auf.
Er schob die Türen zu einem geräumigen Schlafzimmer auf, dessen Terrasse zum Meer und auf einen Privatstrand hinausführte. Das Sonnenlicht ließ die Wasseroberfläche wie mit Millionen von Diamanten übersät auffunkeln.
„Es ist schön hier“, sagte sie.
„Ja.“
Sie fühlte seine Hände auf ihren Schultern, und tausend Fragen drängten sich auf ihre Lippen.
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