Julia Extra Band 0309
Familie geht über alles. Hallie ist nicht fähig, sich um ihr Kind zu kümmern.“
„Aber, findest du das nicht übertrieben? Sollten wir ihr nicht zumindest erlauben, sich von Nicco zu verabschieden?“
„Nein! Auf keinen Fall. Wir ziehen die Sache heute Nacht noch durch. Wir bringen deinen Sohn mit dem Hubschrauber auf die Insel. Hallie wird gar nicht mitbekommen, dass er fort ist. Und wenn sie es merkt, können wir sie in aller Diskretion aus dem Land schaffen. Niemand außerhalb der Familie wird je davon erfahren.“
Sie wollen Hallie ihr Kind wegnehmen, dachte Kerry entsetzt.
Ihr wurde schlecht. Die Erinnerung an ihre schreckliche Kindheit stieg wieder in ihr auf. Das Leid und die Verzweiflung ihrer eigenen Mutter, die nicht damit fertiggeworden war, dass man ihr damals das Kind weggenommen hatte.
Ich kann das nicht zulassen! Sie musste verhindern, dass ihrer Freundin dasselbe Leid zugefügt wurde wie ihrer Mutter. Wenn man dieser damals das Kind gelassen hätte, wäre sie vielleicht noch am Leben.
Ich muss zu Hallie und sie warnen .Voller Panik lief sie in das Luxusapartment, in dem Corban und seine Frau wohnten. Sie fand Hallie im Schlafzimmer, wo sie an ihrem Toilettentisch saß und sich das lange braune Haar bürstete.
„Kerry!“, rief Hallie verwundert, als Kerry außer Atem in ihr Zimmer stürmte. „Was ist los?“
„Entschuldige bitte“, stieß Kerry hervor. „Es geht um Nicco. Ich habe eben gehört, wie Theo und Corban davon geredet haben, dass sie ihn von hier wegbringen wollen.“
„Aber warum denn? Ist etwas passiert?“ Hallie sprang auf. Ihr Stuhl landete mit einem lauten Krachen auf dem Boden.
„Keine Angst, es geht ihm gut. Aber es ist etwas viel Schlimmeres. Sie meinen, du seist nicht fähig, dich um ihn zu kümmern. Deshalb wollen sie Nicco auf irgendeine Insel bringen, ohne dir etwas davon zu sagen.“
„Nein!“,schrie Hallie auf. Wie erstarrt stand sie da.„Das können sie nicht tun! Nicht mit mir!“ Mit einem Griff packte sie ihre Handtasche und die Autoschlüssel. Dabei warf sie ein Weinglas um, das auf dem Tisch stand. Auf ihren hochhackigen Schuhen stakste sie unsicher zur Tür.
„Warte“, rief Kerry ihr nach. Sie ließ das Papiertaschentuch fallen, mit dem sie den Rotweinfleck aufwischen wollte, und rannte Hallie nach. Hallie hat getrunken, dachte sie. Sie darf auf keinen Fall das Auto nehmen.
Aber sie kam zu spät. Das Kinderzimmer war leer, und die Anzeige des privaten Lifts zeigte an, dass Hallie bereits die Tiefgarage erreicht hatte.
Oh Gott, was habe ich getan, dachte Kerry panisch. Wenn den beiden nun etwas passiert!
Unschlüssig verharrte sie einen Augenblick, dann lief sie zurück zu Theos Arbeitszimmer. Ohne anzuklopfen, stürzte sie hinein.
„Ihr müsst sofort kommen, Hallie …“ Kerrys Stimme versagte, hilflos rang sie nach Luft.
Mit einem Schritt war Theo bei ihr. Beruhigend legte er ihr eine Hand auf den Arm.
„Beruhige dich erst einmal. Ja, tief durchatmen.“ Besorgt ruhte sein Blick auf ihr. Als er sah, dass sie wieder zu Atem gekommen war, fuhr er fort: „So. Jetzt erzähl in aller Ruhe, was passiert ist.“
Verzweifelt sah Kerry ihn an. Sie war hin- und hergerissen zwischen der Sorge um Hallie und Nicco und ihrem Misstrauen gegenüber ihrem Geliebten.
„Hallie hat das Auto genommen und ist mit Nicco weggefahren. Aber sie ist betrunken …“
Corban stieß einen lauten Fluch aus und stürmte zum Lift. Er rief seinem Bruder irgendetwas auf Griechisch zu, das Kerry in ihrer Aufregung nicht verstand. Theo griff zum Telefon und gab seinem Sicherheitspersonal die Anweisung, Hallie aufzuhalten. Dann sah er zu Kerry, die noch immer wie ein Häufchen Elend mitten im Raum stand.
„Ich hoffe, dass wir Hallie noch einholen können“. Er trat auf Kerry zu und zog sie an sich. Sanft strich er ihr übers Haar. „Mach dir keine Sorgen, wir bringen die beiden schon sicher zurück.“
Dann, bevor Kerry auch nur ein Wort hervorbringen konnte, verschwand er. Nur der Duft seines männlich-herben Eau de Toilette lag noch in der Luft.
Theo war der Mittelpunkt in Kerrys Leben. Alles andere verblasste neben seiner starken Präsenz.
Sie hatte eine zeitlich befristete Stelle in seiner Firma angenommen. Als ihr Vertrag endete, war sie überglücklich, dass er sie gebeten hatte, zu bleiben. Auf Theos Wunsch hin hatte sie sich auch nicht nach einem neuen Job umgesehen, damit sie ihn jederzeit auf seinen Geschäftsreisen begleiten konnte. Er wolle sie
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