Julia Extra Band 0315
immer diese brennende Leidenschaft zwischen ihnen gegeben hatte, wieso wusste sie dann nichts mehr davon? Wie konnte er dann andeuten, ihre Ehe sei nicht glücklich gewesen?
Gestern noch hatte sie geglaubt, die Antworten würden das Gefühl einer düsteren Bedrohung in ihr auslöschen. Jetzt war sie sich gar nicht mehr sicher, ob sie an der gefundenen Perfektion rütteln wollte. Es war besser, sich an das zu halten, was er gesagt hatte – die Vergangenheit ruhen lassen und stattdessen einen neuen Weg in die Zukunft finden.
Der dunkle Schatten, der seit Wochen auf ihr lag, hob sich ein wenig. Und zum ersten Mal seit langem schlief Maeve tief und traumlos, geborgen in den Armen ihres Mannes.
Kurz nach Sonnenaufgang machten sie sich am nächsten Morgen auf den Weg. Hatte Maeve vielleicht auf einen intimeren Beginn des neuen Tages gehofft, so wurde sie enttäuscht. Dario gab sich sehr geschäftsmäßig und trieb sie nüchtern aus dem Bett und ins Bad.
„Wir hätten auch mit dem Boot hinüberfahren können, doch mit dem Flugzeug geht es schneller. Und da uns nur das Wochenende bleibt … Wir kommen genau rechtzeitig zum Frühstück an.“
Eine durchaus logische Erklärung, doch Maeve vermutete, dass es einen anderen Grund gab, weshalb er die Villa so schnell wie möglich hinter sich lassen wollte.
„Ein Abstellraum“, hatte er kurz angebunden geantwortet, als sie bewusst harmlos fragte, was hinter der verschlossenen Tür liege.
„Für was?“
„Alles Mögliche“, lautete die knappe Antwort, und dann schob er sie auch schon mehr oder weniger aus dem Haus.
Er log, eindeutig. Nur konnte sie ihn kaum zur Rede stellen, schließlich hatte sie selbst etwas zu verbergen.
Um neun saßen sie in einem Straßencafé auf der Avenue Habib Bourguiba in Tunis beim Frühstück mit Pfirsichen, Feigen, frischen Hörnchen und starkem, aromatischem Kaffee. Die heiße nordafrikanische Sonne hatte die Spannung bei der Abreise von Pantelleria längst verjagt. Dario war wieder der ideale Ehemann, hypnotisierte sie mit seinem Lächeln und verschlang sie mit seinen Blicken.
Hand in Hand schlenderten sie dann an Antiquariaten, Galerien und Blumenständen vorbei zur Kathedrale St. Vincent de Paul. Dario entpuppte sich als belesener Fremdenführer und erzählte von der Entstehung der Kathedrale aus der Zeit der französischen Kolonialära.
Dann ging es weiter in die Medina, die Altstadt, und damit betraten sie eine andere Welt, nur ein Steinwurf von der christlichen Kirche und doch ein ganzes Universum von der modernen Großstadt entfernt. Schlanke Minarette reckten sich in den blauen Himmel, prachtvolle Paläste und ehrwürdige Moscheen behaupteten ihren Platz in den menschenüberfüllten Souks. Es roch nach Gewürzen und Parfüms, Ton-, Messing- und Kupferwaren ergossen sich aus kleinen Geschäften bis auf die Straße, überall wurden Teppiche angeboten, Schmuck und Juwelen glitzerten hinter kleinen Schaufenstern. Händler priesen lautstark ihre Waren an und warben in einem Sprachengemisch aus Französisch, Englisch, Deutsch und Arabisch um die Touristen auf der Suche nach einem Souvenir.
Maeve war bezaubert – die Aromen, die Geräusche, die exotische Atmosphäre. Nichts erinnerte hier an eine unerfreuliche Vergangenheit, keine boshafte Schwiegermutter, keine ominösen Geheimnisse hinter verschlossenen Türen. Sie war glücklich und verliebt, und solange es andauerte, würde sie jeden einzelnen Moment bis zur Neige auskosten.
Sie hielten in einem kleinen Café an, um sich mit dem landestypischen starken Minztee zu erfrischen, und als sie schließlich am frühen Nachmittag die Medina verließen, war Maeve im Besitz eines wunderschönen feinen Wollschals in leuchtenden Blau- und dunklen Rottönen, eines antiken Parfümflakons und eines handgeschnitzten hölzernen Vogelkäfigs, Sachen, die Dario gewieft handelnd für sie erstanden hatte.
„Dabei habe ich gar keinen Vogel.“ Lachend sah sie zu, wie er den großen Käfig geschickt durch die Menschenmenge bugsierte.
„Ich bin sicher, hier bieten sie auch Vögel an“, meinte Dario salopp. „Wir kommen morgen noch einmal her und suchen nach einem.“
In der Suite ihres Hotels zurück – eine große Villa aus der französischen Kolonialzeit, die zu einer eleganten Pension umgebaut worden war –, kickte Maeve ihre Schuhe von den Füßen, tauschte ihr Kleid gegen einen bequemen Bademantel und streckte sich auf dem großen Bett aus. Ihr Vorhaben, ein Nachmittagsschläfchen zu
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