Julia Extra Band 0316
Zweitgeborenen, und er war ein Playboy gewesen. Was ihn noch weniger als Landesfürst auszeichnete, waren die Gefühle, die er unter Verschluss hielt, Gefühle, die er nicht wahrhaben wollte. Denn wenn er sie zuließe, wäre es, als würde sich die Büchse der Pandora öffnen.
Schließlich erlangte er seine Fassung wieder. „Wenn du so entschlossen bist, den Jungen zum König zu machen, dann soll es so sein. Dir wäre es wahrscheinlich lieber, das Fürstentum würde sich in Wohlgefallen auflösen, als dass ich deine Nachfolge antrete.“
Da Nicholas darauf nur die Lippen zusammenpresste, fuhr Leo fort. „Aber du wirst dein Ziel nicht erreichen, indem du Christians Mutter brüskierst. Du magst sie verabscheuen, aber du kannst sie nicht kaufen.“
„Das werden wir ja sehen.“
„Sie ist Amerikanerin, und dieser Junge ist ihr Leben. Im Gegensatz zu meiner Mutter kennt sie keine Adelspflichten, und sie wird sich auch nicht so einschüchtern lassen.“ Wieder fühlte er die alte Wut in sich aufsteigen – und Schuldgefühle und Bedauern. Wie hatte er Phoebe nur in die gleiche Situation bringen können wie seine Mutter? Warum hatte er nicht vorhergesehen, was Nicholas plante?
„Ich finde schon einen Weg“, beharrte Nicholas stur.
„Überlass das lieber mir.“ Leo sah den Fürsten herausfordernd an. „Wenn der Junge hierbleiben soll, müssen wir uns ein bisschen geschickter anstellen.“ Er lächelte kalt.
Während Phoebe in einem der zahlreichen Salons des Palastes auf und ab ging, rieb sie sich die Arme und bekämpfte die aufkommende Panik. Sie wusste, dass die Türen abgeschlossen waren. Schon mehrfach hatte sie versucht, sie zu öffnen und verzweifelt an den Klinken gerüttelt. Dass man sie tatsächlich eingeschlossen hatte – weggesperrt, ohne ein erklärendes Wort und ohne ihren Sohn –, konnte sie kaum glauben.
Sie war eine Gefangene, und das Bewusstsein, freiwillig in die Höhle des Löwen gegangen zu sein, schnürte ihr die Kehle zu. Wohin hatte sie das Vertrauen zu Leo gebracht? Hinter Schloss und Riegel wie eine Kriminelle, und Christian …
Rasend vor Wut presste sie die Hand gegen die Lippen und zwang die Panik zurück. Sie musste ruhig bleiben, klar denken.
Garantiert konnten sie ihn ihr nicht einfach wegnehmen. Schließlich lebten sie im einundzwanzigsten Jahrhundert. Aber wo war Christian? Eine halbe Stunde war nun schon vergangen, seitdem sie ihn das letzte Mal gesehen hatte – eine halbe Ewigkeit. Sie widerstand dem Drang, zur Tür zu gehen und dagegenzuhämmern, bis man sie hörte. Ein derartiges Verhalten würde ihr nur als Schwäche ausgelegt. Also zwang sie sich zur Ruhe.
Doch als sie auf dem Flur etwas hörte, war es mit ihrer Beherrschung vorbei. Sie flog regelrecht zur Tür und stand atemlos davor, als sie sich öffnete.
Im Flur stand Leo, völlig ruhig und gelassen.
„Lügner! Sie haben ihn mir weggenommen und mich hier eingesperrt.“ Phoebe war den Tränen nahe.
„Es tut mir sehr leid, dass das passiert ist. Das lag nicht in meiner Absicht.“ Er kam ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
„Das glaube ich nicht.“
„Ich schwöre es, Phoebe.“
Dass er aufrichtig klang, beruhigte sie ein wenig. Dann war es doch kein Fehler gewesen, ihm zu vertrauen! Der Gedanke tröstete sie. „Was war sonst der Grund? Hat der Fürst eigenmächtig gehandelt?“
„Ja.“ Leo ging zum Fenster und sah auf den winterlichen Palasthof. Phoebe beobachtete ihn und sah, wie angespannt er wirkte.
„Was hat der Fürst vor, Leo? Warum hat er mich von Christian getrennt?“
„Weil er mehr an Christian interessiert ist als an dir.“
„Das weiß ich.“ Nun ging Phoebe wieder im Zimmer auf und ab und rieb sich die Arme. „Ich bin ja nicht blöd, aber …“ Ihre unterschwelligen Ängste schnürten ihr die Kehle zu. Würde der Fürst versuchen, das alleinige Sorgerecht für Christian zu bekommen und sie völlig aus seinem Leben zu verdrängen? Sie hätte auf ihre Mutter hören, einen Anwalt aufsuchen und niemals herkommen sollen.
„Phoebe.“
Wie angewurzelt blieb sie stehen. Plötzlich stand Leo bei ihr, seine Hände lagen schützend auf ihren Schultern, sein Blick suchte ihren.
„Ich lasse nicht zu, dass etwas passiert, das verspreche ich.“
„Wie wollen Sie denn etwas daran ändern? Was hat er überhaupt vor, Leo?“ Wieder war sie kurz davor, in Tränen auszubrechen.
„Mir war das nicht bewusst.“
„Was meinen Sie? Was verschweigen Sie mir, Leo? Bitte“, bat sie
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