Julia Extra Band 0316
wenn doch …“, sie zuckte hilflos mit den Schultern, „… war Leo schuld.“
„Leo?“ Rasch sah Phoebe zu Christian, aber der war noch mit seinem Marmeladenbrot beschäftigt. „Was meinen Sie damit?“
Frances seufzte. „Es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen. Aber ich kann mir vorstellen, wie schwierig Ihre Position hier ist, und je mehr Information Sie haben …“ Sie hielt inne und hob wieder die Schultern. „Nicholas und Leos Vater Harvard waren Brüder. Nicholas hasste Havard, weil alle ihn lieber mochten. Harvard war der Jüngere, aber ich bin sicher, dass sich jeder wünschte, er wäre der Thronerbe gewesen. Er sah gut aus, war charmant und freundlich zu jedem, während Nicholas vergrämt und gehässig war. Dabei konnte er nichts dafür. Als Kind war er kränklich, blass und dünn, während Harvard vor Gesundheit strotzte. Das hat man mir zumindest erzählt … Als ich Harvard kennenlernte, war er bereits verheiratet, und Leo war gerade auf die Welt gekommen. Nicholas hat vor ihm geheiratet, eine Dänin. Sie hieß Johanna. Als Anders auf den Thron verzichtete, hat sie sich in Monaco zur Ruhe gesetzt. Dort ist sie auch vor zwei Jahren gestorben. Die beiden wirkten glücklich, doch leider bekamen sie keine Kinder. Zehn Jahre lang nicht.“ Frances schüttelte den Kopf. „In der Zwischenzeit heiratete Havard seine Ana, eine italienische Adelige. Leo kam praktisch neun Monate später zur Welt. Das machte Nicholas noch eifersüchtiger. Jeder konnte das sehen, selbst ich, obwohl ich gerade erst eingestellt worden war, um mich um Leo zu kümmern.“
„Aber Leo hatte doch gar keine Chance, Fürst zu werden“, warf Phoebe ein. „Als Sohn des Zweitgeborenen.“
„Doch, wenn Nicholas kinderlos geblieben wäre. Wahrscheinlich hat Harvard damit gerechnet, dass sein Sohn die Thronfolge antritt. Es gab Gerüchte und Getuschel, und das hat Nicholas zweifellos wütend gemacht.“
Phoebe wollte sich gar nicht vorstellen, wie die Spannung und die Rivalität das Umfeld vergiftet hatten, in dem Leo aufgewachsen war. So etwas blieb nicht ohne Einfluss auf ein Kind. „Was ist dann passiert?“
„Anders wurde geboren, und Havard ist gestorben“, erzählte Frances, „und alles hat sich geändert.“
„Inwiefern?“
„Nicholas hatte einen Erben, und Leo hatte niemanden mehr. Seine Mutter wurde nach Italien zurückgeschickt. Leo behandelte man von da an wie einen Bittsteller. Daher ist es ja kein Wunder …“ Frances verstummte kopfschüttelnd. „Ich sollte nicht so viel reden, selbst wenn Sie ein Recht darauf haben, die Hintergründe zu erfahren.“
Da legte Phoebe Frances eine Hand auf den Arm. „Bitte, erzählen Sie es mir.“
Frances nickte. „Also gut: Es ist kein Wunder, dass Leo ein bisschen aus der Bahn geworfen wurde.“
„Er wurde der Playboy-Prinz“, murmelte Phoebe.
„Genau“, rief Christian in diesem Moment, stand auf und hielt den beiden seine mit Marmelade verschmierten Finger hin. Frances ging mit ihm zum Händewaschen, und Phoebe setzte sich auf ein Sofa. Jetzt verstand sie Leo schon viel besser. Aber konnte sie wirklich behaupten, dass sie ihn kannte? Das würde sie gern, und sie wollte ihm auch trauen, ihn sogar mögen dürfen. Unwillkürlich fuhr sie sich mit dem Finger über die Lippen und wusste, dass sie noch mehr wollte.
Aber war es klug, einem solchen Mann zu vertrauen? Ihn sogar zu begehren? War Leo wirklich nett oder sollte er sie nur gefügig machen? Beabsichtigte er womöglich, ihr Christian wegzunehmen? Phoebe schluckte. Eigentlich kannte sie Leo überhaupt nicht.
Christian kam zurück ins Zimmer, gleich darauf rief er strahlend: „Leo!“
Phoebe erstarrte. Alles schien stillzustehen, während sie sich langsam umdrehte. Leo lehnte an der Tür und lächelte entspannt. Im Handumdrehen waren ihre Ängste verflogen, und ihr Herzschlag verdoppelte sich.
„Hallo, Christian“, sagte er, „ich dachte, ich komme mal vorbei, um zu sehen, wie es dir geht.“
„Hier gibt es ganz viele Spielsachen, aber einige sind ziemlich alt“, informierte ihn der Junge.
„Das sind dann wohl meine.“ Über Christians Kopf hinweg sah Leo lächelnd zu Phoebe, der es vorkam, als ginge die Sonne auf.
„Ich dachte, ihr wollt euch heute Abend vielleicht früh zurückziehen und nur rasch noch etwas auf eurem Zimmer essen. Bestimmt seid ihr müde.“
Phoebe war froh über das Angebot, doch Christian schien nicht so begeistert. Leo tröstete ihn. „Dafür gehen wir morgen früh
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