Julia Extra Band 0319
aus, als wollte er seinem Bruder noch einen Fausthieb verpassen, doch Phoebe sprang auf und packte ihn am Arm. „Hör auf damit! Diese ganze Geschichte ist doch absolut lächerlich. Offenbar sind Dimitri und ich die einzigen, die das erkannt haben.“
Spiros starrte sie an. „ Du hast keine Liebhaber gehabt, während du auf meinen Bruder gewartet hast.“
„Ich habe nicht auf deinen Bruder gewartet. Und hätte ich Lust gehabt, mir einen Liebhaber zu nehmen, hätte ich das auch getan!“
Spiros blickte sie an, als habe sie ihn ins Gesicht geschlagen. „Das kann nicht dein Ernst sein.“
„Ich weiß nicht“, gab sie zu. „Und es ist mir auch egal. Dimitri hat ein Recht darauf, glücklich zu sein, und es steht niemandem von euch zu, ihm dieses Glück zu verwehren. Schon gar nicht durch irgendwelche Erpressung.“
Insgeheim sprach Phoebe auch von sich selbst, doch sie machte sich keine Illusionen. Ihre Hoffnung auf Glück war nur flüchtig gewesen, und sie hatte nicht vor, den Rest ihres Lebens ihr Schicksal zu beklagen. Irgendwie würde sie ihrem Vater helfen, die Firma zu retten, und eines Tages würde sie hoffentlich auch über Spiros hinwegkommen.
Doch jetzt musste sie erst einmal verhindern, dass die zwei Brüder zu Feinden wurden.
„Ich versuche ja gar nicht, ihm sein Glück zu nehmen.“
„Ach nein? Dein Bruder liebt eine Frau, die ein Kind von ihm erwartet. Sie ist fortgelaufen, weil sie fürchtete, er würde sie im Stich lassen, um den Verpflichtungen gegenüber seiner Familie nachzukommen. Er leidet. Bestimmt leidet sie genauso.“ Sie alle litten – war sie denn die Einzige, die das erkannte? „Du hast kein Recht, Dimitri zu verachten. Er braucht jetzt deine Unterstützung, und wenn du sie ihm verweigerst, bist du nicht der Mann, für den ich dich immer gehalten habe.“
Dimitri legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Ich danke dir, Phoebe. Aber ich verdiene nicht, dass du mich verteidigst.“
„Unsinn.“ Sie drehte sich um und umarmte ihn innig. „Du hast das Richtige getan, als du deinem Großvater gesagt hast, dass du mich nicht heiraten kannst. Ich respektiere deine Entscheidung und bewundere deinen Mut. Lass dir von niemandem etwas anderes einreden.“
„Das glaube ich jetzt nicht“, murmelte Spiros verächtlich.
Phoebe drehte sich um und sah ihn scharf an.
Spiros schien sich keiner Schuld bewusst zu sein. „Ist dir klar, dass du meinen Bruder gerade zum allerersten Mal umarmt hast? Nachdem du zugestimmt hast, ihn nicht zu heiraten?“
„Na und?“
„Ich hätte längst erkennen müssen, wie wenig ihr zueinander passt.“ Noch immer wirkte Spiros empört, vielleicht jedoch nicht nur über seinen Bruder. „Wir alle hätten es erkennen müssen.“
„Ja, da gebe ich dir vollkommen recht“, hörte Phoebe die Stimme ihres Vaters hinter sich.
Sein warmer Tonfall überraschte Phoebe mindestens so sehr wie seine Worte. Doch sie wusste auch, dass Worte nichts änderten.
Vor zwei Wochen noch hätte sie sich darüber gefreut, doch jetzt waren es für sie nichts als leere Worthülsen. Das Blatt hatte sich dadurch nicht gewendet. Die Zukunft, die vor ihr lag, war dieselbe Zukunft wie vor einer Stunde. Denn die Firma war noch nicht gerettet. Ihr Vater würde einen neuen Heiratskandidaten finden müssen, der genügend Kapital mit in die Ehe brachte, um Leonides Enterprises vor dem Bankrott zu bewahren.
Ohne auf die Worte ihre Vaters einzugehen, sank sie wieder auf den Stuhl, auf dem sie zuvor gesessen hatte. Sie sah Dimitri an. „Haben sie gesagt, wie lange die Operation dauern wird?“
Er antwortete, und das Gespräch entfernte sich von der geplatzten Verlobung. Spiros setzte sich neben Phoebe, und sie nahm seine Hand und genoss die tröstliche Vertrautheit. Er warf ihr einen dankbaren Blick zu, den sie nicht recht deuten konnte.
Dann verwickelte Spiros seinen Bruder in ein Gespräch über den Gesundheitszustand ihres Großvaters. So kam die Sprache irgendwann wieder auf die Ursache des Herzinfarktes und damit auf Dimitris heimliche Liebesbeziehung in Paris. Phoebes Vater erkundigte sich ohne Groll nach den Einzelheiten und war schließlich der Erste, der Dimitri dazu gratulierte, dass er Vater wurde.
Phoebes Vater hatte seine Frau und Chrysanthos auf dem Weg ins Krankenhaus zu Hause abgesetzt, wo sie auf Neuigkeiten warteten.
„Ich werde deiner Mutter sagen müssen, dass sie die Hochzeitsvorbereitungen abblasen muss“, meinte Aristoteles, als eine kurze Gesprächspause
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