Julia Extra Band 0326
Sie sprachen im Spaß oft darüber, wie schön es wäre, wenn wir beide einmal heiraten würden. Dann kam der Tag, an dem mein Vater starb, und aus dem Spaß wurde plötzlich Ernst. Ich war ein Einzelkind, und meine Mutter setzte all ihre Hoffnungen darauf, dass ich die Firma meines Vaters übernehmen würde. Da ich sie nicht enttäuschen wollte, obwohl ich damals andere Zukunftspläne hatte, willigte ich ein, und sie überschrieb mir das gesamte Unternehmen – mit allen Rechten und natürlich auch Verpflichtungen, die damit verbunden waren. Aber sie erwartete von mir, dass ich Louisa heirate, um mit ihr eine Familie zu gründen und einen Erben des Gavard-Vermögens zu zeugen.“
Nachdenklich sah er Meg an. „Ich stand unter enormem Druck und musste mich sehr schnell entscheiden. Und da Louisa mich tatsächlich liebte, heirateten wir. Aber ich konnte ihre Gefühle nie so recht erwidern. Ich hoffte, dass ich Louisa mit der Zeit schon würde lieben lernen, doch es gelang mir nicht, und meine Arbeit war mir immer wichtiger.“
Fahrig fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. „Ich war ständig unterwegs und nahm keine Rücksicht darauf, dass Louisa unter meiner Abwesenheit litt. Sie war sehr sanft und harmoniebedürftig, und deshalb wagte sie es nicht, gegen mich oder den Willen meiner Mutter aufzubegehren. Und anstatt ihr zuzuhören, habe ich sie einfach ignoriert und allein zu Hause sitzen lassen, um auf Geschäftsreisen zu gehen. Ich war nie für Louisa da, wenn sie mich brauchte, noch nicht einmal, als sie …“
Etienne hielt inne, und sie legte ihm sanft die Hand auf den Arm. „Du musst nicht weitersprechen, wenn es zu schmerzhaft für dich ist. Ich weiß, wie …“
„Nein, es ist schon gut, du solltest wissen, wie ich wirklich bin“, fuhr er fort, und seine Stimme wurde plötzlich härter. „Ich hab schon lange das Gefühl, dass du mich für den noblen Samariter hältst, der hierhergekommen ist, um die Welt zu retten. Aber das stimmt nicht, Meg, ich bin nicht halb so edel, wie du denkst. Die Kraft, die mich ständig dazu treibt, anderen zu helfen, ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine Flucht vor mir selbst – vor der Schuld, die mich innerlich zerfrisst.“
„Vor welcher Schuld, Etienne?“
„Ich bin schuld an Louisas Tod“, erklärte er mit starrer Miene. „Sie ist gestorben, weil ich so egoistisch war und nur an mich gedacht habe. Ich habe Louisa nur benutzt, um meine Ziele zu erreichen. Sie wollte noch kein Kind, aber ich habe sie so lange dazu gedrängt, bis sie schließlich nachgab. Wahrscheinlich hatte sie gehofft, dass ich mich ändern und endlich mehr zu Hause bleiben würde, wenn sie ein Baby von mir bekäme. Doch auch darin habe ich sie schwer enttäuscht. Als sie schwanger wurde, schränkte ich meine Dienstreisen nicht im Geringsten ein und war noch nicht mal bei ihr, als sich Komplikationen einstellten.“
Etienne atmete tief durch, bevor er tonlos weitersprach: „Louisa hatte einen angeborenen Herzfehler, von dem vorher niemand etwas wusste, noch nicht einmal sie selbst. Als sie eines Tages mit dem Wagen unterwegs war, bekam sie während der Fahrt plötzlich einen Herzinfarkt und verunglückte schwer. Sie starb noch an der Unfallstelle, und mit ihr unser ungeborenes Kind. Hätte ich gewusst, dass sie nicht gesund war, hätte ich sie nie zu einer Schwangerschaft überredet.“
„Du kannst nichts dafür, dass es zu diesem Unfall kam, Etienne“, versuchte Meg ihn sanft zu trösten. „Wenn noch nicht einmal Louisa selbst von ihrer Krankheit wusste, wie hättest du es dann erahnen sollen?“
„Wenn ich mehr Zeit mit ihr verbracht hätte, dann hätte ich gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung war“, erklärte er verbittert.
Etienne war davon überzeugt, dass er den Tod seiner Frau hätte verhindern können, wenn er sich mehr um sie gekümmert hätte, und je näher Louisas Todestag kam, desto schlimmer quälten ihn die Schuldgefühle. Aber er konnte die Zeit nicht zurückdrehen und alles ungeschehen machen, das war unmöglich. Er hatte seine Frau im Stich gelassen und ihr Leben und das ihres gemeinsamen Kindes zerstört.
Nach Louisas Tod hatte er beschlossen, sein Leben drastisch zu verändern. Er gab die Unternehmensleitung ab und gründete eine eigene Beraterfirma, mit der er sich fortan ausschließlich der Rettung von Firmen widmete, die kurz vor dem Konkurs standen.
Seine Mutter war entsetzt und fürchterlich enttäuscht gewesen, als Etienne ihr seine Entscheidung
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