Julia Extra Band 0326
sofort brechen und die Tränen fließen lassen. Und nichts bereitete ihm mehr Unbehagen als weinende Frauen.
„Warum darüber nachdenken?“, knurrte er brüsk. „Es ändert nichts.“
Seine Philosophie besagte: Wenn du einen Fehler machst, dann lerne damit zu leben. Sich unsinnige Vorwürfe zu machen, die doch nichts änderten, hielt er für reine Zeit- und Kraftverschwendung.
„Du hast recht.“
„Ich wollte, das würden auch ein paar andere Leute so sehen“, murmelte Rafael, doch diesmal versagte sein Trick. Normalerweise goutierte Angelina seinen ironischen Humor. Heute blieb ihr Lächeln aus. Ihr umwölkter Blick ruhte auf ihrem Gatten, der mit einem Baby auf jedem Arm am anderen Ende des Festsaals stand und der hingerissenen Verwandtschaft erlaubte, die runden Wangen seiner kleinen Söhne zu streicheln und zu küssen.
„Er ist so ein guter Vater …“
„Und du bist eine gute Mutter, Angelina.“
Heftig schüttelte sie den Kopf. „Ich denke immer … habe ich vielleicht …?“ Verzweiflung stand in ihren schönen braunen Augen, als sie Rafaels Blick suchte. „Habe ich wirklich das Richtige getan?“
Rafael hatte nicht den geringsten Zweifel, was das betraf. „Das hast du.“
Verdammt! Normalerweise ließ er sich in derartige Diskussionen gar nicht hineinziehen. Er gab weder Ratschläge, noch fragte er danach. Nur hatte er in Angelinas Fall dummerweise eine Ausnahme gemacht …
„Ich hasse es zu lügen.“
Rafael unterdrückte ein Seufzen. „Ein Geständnis hätte dich möglicherweise erleichtert, aber was wäre damit anderes bewirkt worden, als dass …“
„… Alfonso unsere Hochzeit abgesagt hätte“, beendete sie dumpf seinen Satz. „Niemals würde er einen Skandal riskieren.“
„Vielleicht“, log Rafael, aber in seinem Kopf gab es kein vielleicht . Und schon gar keinen Zweifel an dem Ausgang der Geschichte, hätte Angelina damals tatsächlich ihren Verlobten vorgefunden, anstatt ihn, als sie in Alfonsos City-Apartment gekommen war, um zu beichten.
Hätte sein Cousin Mitleid für Angelina aufgebracht, die gezwungen worden war, mit sechzehn das Kind ihres verheirateten Liebhabers zur Welt zu bringen? Ja. Wäre er nach dem Geständnis immer noch bereit gewesen, sie zu heiraten? Nein.
„Du hast das Richtige getan, Angelina. Warum solltest du dein Leben lang für einen Fehler büßen, den du gemacht hast, als du noch ein Teenager warst? Jeder begeht Fehler in seinem Leben …“
„Alfonso nicht“, entfuhr es ihr spontan.
Rafael hätte versucht, ihr zu erklären, dass selbst sein braver Cousin nicht perfekt sei, aber damit würde er nur seinen Atem verschwenden. Zumindest bei Alfonsos Frau.
„Ich … ich weiß nicht, ob ich überhaupt das Recht habe, so glücklich zu sein“, flüsterte Angelina erstickt. „Immer wieder muss ich an mein kleines Mädchen denken. Ist sie glücklich? Manchmal frage ich mich …“
„Lieber nicht“, riet Rafael nüchtern. „Warum an etwas denken, das man nicht haben kann?“ Wie viele Nächte hatte er damit verschwendet, sich seine Mutter zurückzuwünschen? Aber inzwischen war er längst nicht mehr zehn und wusste es besser.
3. KAPITEL
Maggie spazierte durch die verwinkelten Straßen und sog die heimelige Atmosphäre mit allen Sinnen auf. Sie hatte den ganzen Nachmittag für sich zur Verfügung, ehe sie sich wieder im Hotel einfinden musste, um sich dem hinzugeben, was ihr Reiseführer enthusiastisch ein authentisches Paella-Vergnügen nannte.
Eigentlich war die Teilnahme keine Pflicht, aber er hatte Maggie extra gewarnt, dass die freien Plätze sehr begehrt und schnell vergeben seien.
Jetzt allerdings beschloss Maggie spontan, sich eine Pause in einem der vielen malerischen Straßencafés zu gönnen. Sie bestellte sich ein Glas Wein und zog einen Stadtplan aus ihrem Rucksack. Speziell die Straßen rund um den Marktplatz waren ihr als ein Muss angepriesen worden, soweit sie an dem echten Spanien interessiert sei, und der Karte nach schien sie nicht weit davon entfernt zu sein.
Eine halbe Stunde später hatte sich Maggie allerdings in einem Labyrinth kleiner Gässchen heillos verirrt und gab sich geschlagen. Mit der Ermahnung ihres Reiseleiters im Nacken, auf keinen Fall die Paella zu verpassen, machte sie sich entschlossen auf die Suche nach der großen Kathedrale, von der aus es nur wenige Schritte bis zu ihrem Hotel waren.
Langsam befürchtete sie, auch diesen monumentalen Prachtbau nicht zu finden, da erspähte Maggie am Ende
Weitere Kostenlose Bücher