Julia Extra Band 0326
Form von Bargeld, sondern Enthusiasmus, Kompetenz und Sachverstand, um den Anschluss ans einundzwanzigste Jahrhundert zu schaffen.
Rafael besaß alle drei Eigenschaften.
Erst im letzten Jahr hatte Rafael-Luis Castenadas seinem ohnehin schon breit gefächerten Firmenimperium einen Zeitungsverlag und eine Hotelkette hinzugefügt. Doch von der erwarteten Schande – die er nach der Prophezeiung seines Vaters eines Tages über die Familie bringen würde – bis dorthin, war es ein langer Weg gewesen.
„Lebte Onkel Felipe noch, wäre er ganz bestimmt stolz auf das, was du bisher erreicht hast.“
Rafaels Brauen wanderten ein Stück höher. „Denkst du wirklich?“
Alfonso schaute überrascht drein. „Aber natürlich!“
Rafael zuckte nur achtlos die Schultern und erinnerte sich daran, dass sein alter Herr den wenig traditionsverhafteten beruflichen Weg, den er einschlug, herablassend als blanken Unsinn bezeichnet hatte. „Nun ja, möglich ist so ziemlich alles, nehme ich an“, murmelte er träge.
Alles, außer der Fähigkeit, Vater auch nur irgendetwas recht zu machen! dachte er bei sich und überlegte, wann genau ihm das aufgegangen war. Doch es wollte ihm nicht einfallen. Dafür wusste er noch sehr genau, wie erleichtert er gewesen war, nachdem er endlich jeden Versuch in dieser Richtung aufgegeben hatte.
Anschließend hatte es eine kurze Zeit gegeben, während der er ein fast perverses Vergnügen daraus bezog, einen Lebensstil zu pflegen, der einzig dazu gedacht war, Felipe Castenadas auf die Palme zu bringen. Dieser spätpubertären Phase der Rebellion war Rafael zwar schnell entwachsen, zahlte aber immer noch den Preis dafür, weil er mit seinen wilden Eskapaden zum erklärten Liebling der Klatschpresse avancierte. Und die sorgte dafür, dass es ihm bis heute nicht gelungen war, sein Bad-Boy-Image endgültig abzulegen.
„Du zweifelst doch nicht etwa daran?“ Alfonsos naive Frage holte ihn in die Wirklichkeit zurück.
Rafaels Mund umspielte ein sardonisches Lächeln. „Mein Vater war ein elitärer Snob. Ein Castenadas zu sein, war seine Religion.“ Wie jemand denken konnte, allein der Zufall seiner Geburt mache ihn zu einem besseren oder wertvolleren Menschen, war für Rafael schon immer ein Rätsel gewesen.
Als er den stummen Kampf zwischen Schock und Missbilligung auf dem gutmütigen Gesicht seines Cousins sah, wurde ihm wieder einmal bewusst, wie sehr sie beide sich voneinander unterschieden. Alfonso war das Musterbeispiel eines gehorsamen Sohnes. Obwohl sie sonst gut miteinander auskamen, verstand er keinen Spaß, sobald es um die Ehre der Familie ging.
„Du wirst mir schon erlauben müssen, meinen Patensöhnen ein Taufgeschenk zu machen“, ging Rafael vorsichtshalber zu einem anderen Thema über. Nur wenige konnten seinem funkelnden Lächeln widerstehen, wenn er seinen Charme spielen ließ, und Alfonso gehörte nicht dazu.
„Aber Kisten voller Jahrgangswein …?“
Rafael machte eine wegwerfende Geste. „Eine sehr gute Investition. Es ist mir gelungen, einige seltene Exemplare aufzutreiben.“
„Nun gut, dann bedanke ich mich bei dir im Namen der Jungen, aber das ist nicht der Punkt, Rafael …“
„Ich habe Lust, etwas für meine Patenkinder zu tun. Was ist so schlimm daran? Immerhin sind die beiden meine Erben.“
Alfonso lachte hell auf. „Na, die Hoffnung werde ich auf keinen Fall in ihnen wecken! Du bist gerade mal zweiunddreißig und kannst ohne weiteres selbst noch ein, zwei Erben produzieren.“
„Heirat kommt für mich nicht infrage.“ Warum auch ein perfekt funktionierendes System ändern?
Er fühlte sich geradewegs umzingelt von gescheiterten oder unglücklichen Ehen und ruinösen Scheidungen. Wäre die Ehe ein Pferd, hätte man ihm schon vor Jahren das Gnadenbrot angedient, aber so war und blieb sie eben das Fantasieprodukt von unheilbaren Romantikern, die das Träumen einfach nicht aufgeben wollten.
Rafael zog die Realität vor.
Keine seiner Affären dauerte länger als maximal einige Monate. Auslöser für eine bevorstehende Trennung war in den meisten Fällen das fatale Wörtchen wir . Häufig begann ihn zeitgleich alles zu irritieren, was ihn zu Beginn an der jeweiligen Frau angezogen hatte.
Und als jemand, der stetig auf der Suche nach seiner Seelenverwandten, seiner zweiten Hälfte war, sah sich Rafael schon gar nicht.
„Die häusliche Idylle und das Familienglück überlasse ich liebend gern dir und Angelina“, versicherte er seinem Cousin. „So
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