Julia Extra Band 0326
Antwort ausdenken konnte. Heiße Tränen liefen über ihre Wangen, als sie zur Tür rannte, sie aufriss und ihm ihre Frustration hinterherschrie: „Mein Verlobter hat sich als absoluter Verlierer entpuppt, und ich dachte, jeder nach ihm wäre eine Verbesserung! Darin habe ich mich gründlich geirrt!“
10. KAPITEL
Einen Monat später machte Rafael eine erstaunliche Entdeckung. Es war viel leichter, Anonymität zu genießen, als er es sich bisher ausgemalt hatte.
Alles was man tun musste, war, an einem Samstagabend in einer Unfallstation herumzustehen.
Seit einer Stunde lehnte er an einer weißgetünchten Wand im lauten, überfüllten Warteraum, und niemand schenkte ihm die leiseste Beachtung. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er auch morgen noch so dastehen würde, wenn er sich nicht aus eigenem Antrieb bewegte und versuchte, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Eine halbe Stunde später verlor das Gefühl, für den Rest der Welt unsichtbar zu sein, gänzlich seinen Charme für Rafael, und er wurde zunehmend gereizter.
Immerhin war er nicht hergekommen, um anderen beim Leiden zuzusehen.
Er hatte einen Plan. Allerdings nicht eine bestimmte Vorstellung davon, wie er es sonst von sich gewohnt war. So würde er zum ersten Mal in seinem Leben etwas improvisieren müssen, um Maggie …
„Kann ich Ihnen helfen, Sir?“
Rafael starrte den vierschrötigen Mann in Sicherheitsuniform an, der sich etwa einen Meter vor ihm mit auf dem Rücken verschränkten Armen aufgebaut hatte.
„Ich denke, nicht“, sagte er arrogant.
Der Sicherheitsbeamte, dem keine Reaktion und kein absonderliches Benehmen jedweder Unfallstation-Besucher fremd waren, hatte offensichtlich Mühe, mit der höflichen und zugleich wie eine Beleidigung klingenden Aussage zurechtzukommen.
„Haben Sie Ihre Personalien am Empfang aufnehmen lassen?“, fragte er steif.
„Ich warte hier nur auf jemanden.“
„Darf ich fragen, auf wen, Mr. …?“
„Castenadas!“, schnarrte Rafael, der sich langsam wie in einem Verhör vorkam.
Er sah das vertraute Aufflackern in den Augen seines bulligen Gegenübers und seufzte innerlich. „Kenne ich Sie?“, überlegte der Mann laut. „Ihr Gesicht …“
Rafael blieb glücklicherweise eine Antwort erspart, als ein lautes, klatschendes Geräusch ertönte, auf das heftiges Geschrei folgte. Dann das Splittern von Glas, ein erneuter Aufschrei, diesmal offenbar aus Schmerz.
Wie alle anderen hatte auch Rafael den Kopf in Richtung des Tumults gedreht und spürte einen heißen Strom reinen Adrenalins durch seine Adern schießen. In der nächsten Sekunde folgte er bereits dem davonstürzenden Sicherheitsbeamten auf dem Fuß und sog scharf den Atem ein, als er hinter ihm durch eine Schwingtür trat und das angerichtete Chaos sah.
Umgeworfene Rollwagen, medizinische Instrumente, Verbandsmaterial und zersplittertes Glas am Boden. Und in der Mitte des Ganzen ein massiger Schlägertyp, der wie ein Tier auf allen vieren barfüßig herumkroch und lauthals fluchte.
Ein unbestimmter Instinkt sagte Rafael, dass es Maggies Schrei war, den er gehört hatte. Doch erst, als er sie leibhaftig vor sich sah, wurde die quälende Ahnung zur Gewissheit und riss seine künstlich errichteten Schutzmauern ein.
Sie hob den Kopf, sah ihn und stieß einen erleichterten Seufzer aus. „Es geht mir gut!“, rief sie ihm zu, obwohl ihre verängstigte Miene etwas anderes sagte.
Er wollte auf sie zueilen, rutschte aus, und als er nach unten schaute und die Blutlache sah, erstarrte Rafael und wurde kalkweiß. Es dauerte nur eine Sekunde, bis er begriff, dass es nicht Maggies Blut war, sondern das ihres Angreifers, doch diese Sekunde war die längste seines Lebens.
Energisch packte Rafael den jammernden Koloss am Kragen, zerrte ihn auf die Füße und schob ihn quer durch den Raum. Als er über die Schulter nach hinten schaute, sah er, dass Maggie und eine andere Krankenschwester bereits damit begonnen hatten, das Chaos um sich herum zu beseitigen.
Der Betrunkene verstand kein Wort von dem abgehackten spanischen Stakkato, mit dem Rafael ihn bombardierte, dafür drang sein kalter, stahlharter Blick mühelos durch dessen Alkoholnebel. Zwei herbeigeeilte Sanitäter befreiten ihn von seiner Last, und erst jetzt bemerkte Rafael, dass er sich offenbar an einer Glasscherbe die Hand verletzt hatte. Unwillig wischte er das Blut mit einem Taschentuch ab und lief rasch zu Maggie.
„Was tust du überhaupt hier?“, fragte sie ihn und
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