Julia Extra Band 0327
verteidigen, als hinge ihr eigenes Leben davon ab.
Angriffslustig starrte Lucy die ältere Frau an, ohne ein Wort zu sagen. Da trat Aristoteles vor sie und zog sie beschützend von seiner Stiefmutter weg. „Lass nur, sie ist es nicht wert“, beschwichtigte er Lucy, überrascht von dem warmen Gefühl der Dankbarkeit, das ihn plötzlich durchströmte.
„Na, wen haben wir denn da?“ Nun hatte auch Helen ihre Sprache wiedergefunden. „Die kleine, süße Sekretärin.“ Ihre Stimme klang schrill und aufgesetzt. „Oder vielleicht sollte ich besser nicht von süß sprechen …“, fügte sie spitz hinzu und musterte mit gerümpfter Nase Lucys Rundungen.
Wieder spürte Lucy eine ohnmächtige Wut in sich aufsteigen. Doch Aristoteles nahm sie beiseite. „Bitte, Lucy. Meine Stiefmutter schreckt vor nichts zurück.“ Und mit einem Blick auf Helen fügte er hinzu: „… nicht einmal davor, einen Fünfjährigen zu ohrfeigen!“
Keine drei Minuten später saßen Lucy und er in seinem Wagen und fuhren schweigend zurück in Richtung Hotel. Innerlich bebte Lucy immer noch.
„Wie kam deine Mutter nur darauf, dich zu schlagen?“
Gerührt von so viel Mitgefühl, sah Aristoteles zu ihr herüber. Noch nie hatte jemand so uneigennützig Partei für ihn ergriffen. Und er wusste, dass Liebe dazugehörte, wenn man jemanden so aufopfernd verteidigte.
Der Schreck über seine eigenen Gedanken fuhr ihm in alle Glieder. Nein, das war nicht möglich. Lucy handelte ganz gewiss nicht aus Liebe. Sie hatte einfach einen Moment erwischt, in dem er verletzlich gewesen war, und hatte die Möglichkeit ergriffen, ihre Loyalität zu zeigen. Ihre Ergebenheit – als seine Assistentin.
„Ich brauche kein Mitgefühl“, entgegnete er etwas zu scharf auf ihre Frage.
Lucy sah überrascht zu ihm herüber. Dann wandte sie ihren Blick wieder ab. Was war nur los mit Aristoteles? Nun kamen die Bilder des Abends wieder zurück in ihr Gedächtnis. Die Szene, bevor sie ihn und seine Stiefmutter belauscht hatte. Lucy biss sich auf die Unterlippe. Jetzt war es an der Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen.
„Ich habe dich wieder bei dieser Frau gesehen … und ich möchte euch nicht im Weg sein. Wenn du lieber mit ihr … ich würde das verstehen.“
Empört schüttelte Aristoteles den Kopf. Wie konnte Lucy nur so etwas von ihm denken? Den ganzen Abend über hatte er Mühe gehabt, nicht andauernd an Lucys verführerischen Körper zu denken und daran, was er später noch mit ihr anstellen wollte …
Doch nun erinnerte auch er sich an seine eifersüchtigen Gefühle, als Lucy sich so offensichtlich mit seinem widerlichen Halbbruder amüsiert hatte. „Soweit ich sehen konnte, hast du dich hingegen sehr gut mit Anatolios verstanden. Bist du sicher, dass du nicht lieber seine Geliebte wärst?“
Völlig ungläubig starrte Lucy ihn an. Anatolios? Was für eine absurde Vorstellung!
„Nein! Ich bitte dich! Wir haben uns nur unterhalten .“
Wie immer sprach Lucys Gesichtsausdruck Bände. Sie konnte ihre wahren Gefühle einfach nicht verstecken. Und das war auch gut so. Denn Aristoteles glaubte ihr sofort, dass ihr sein Halbbruder mehr als egal war. Erleichterung machte sich in ihm breit.
„Dann glaube auch bitte mir: Pia Kyriapoulos wollte mich verführen, nicht umgekehrt! Und heute Abend habe ich ihr klipp und klar zu verstehen gegeben, dass ich kein Interesse an ihr habe.“ Und dann fügte er leiser hinzu: „Niemand hat diese Wirkung auf mich wie du, liebste Lucy.“ Endlich konnte er wieder lächeln und plötzlich kam ihm ein Gedanke. „Lass uns ein paar Tage wegfahren. Ich muss dringend raus aus Athen, und auf den Schreck hin haben wir uns ein paar Tage Urlaub verdient.“
Als Lucy am nächsten Morgen erwachte, merkte sie, noch bevor sie die Augen geöffnet hatte, dass sie alleine in einem fremden Bett lag. Doch sie machte sich keine Sorgen darüber. Sie fühlte sich ausgeschlafen und rundum wohl, lauschte dem Plätschern der Wellen und spürte die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht.
Mit dem Hubschrauber waren Aristoteles und sie letzte Nacht hierher, nach Paros, gekommen. Ein Jeep hatte sie durch die Dunkelheit zu diesem Häuschen direkt am Meer gebracht.
Lucy sog tief den Geruch von frischem Seetang in der Sonne ein. Dann öffnete sie endlich die Augen, die sich einen Moment an die Helligkeit gewöhnen mussten. Lucy sprang geradezu aus dem Bett, schlüpfte in ein kurzes Trägerkleid und war schon auf den schmiedeeisernen Balkon
Weitere Kostenlose Bücher