Julia Extra Band 0327
verheiratet.“
Der Arzt schenkte ihr ein übertrieben vertrauenerweckendes Lächeln, das er sicherlich für die ganz uneinsichtigen seiner Patienten reserviert hatte. „Sie hatten einen Unfall, Emelia“, erklärte er ruhig. „Die schwere Kopfverletzung scheint einen vorübergehenden Gedächtnisverlust ausgelöst zu haben. Wie umfangreich dieser ist, werden wir erst nach ein paar weiteren Tests abschätzen können.“
Erschrocken griff Emelia sich an den Kopf. „Ich leide unter einer Amnesie?“
Der Mann nickte. „Es scheint so. Wissen Sie, welcher Tag heute ist?“
Im ersten Augenblick glaubte sie es zu wissen, aber dann ahnte sie, dass es nur Einbildung war. „Freitag?“, schlug sie zaghaft vor.
„Heute ist Montag“, korrigierte der Mediziner. „Der zehnte September.“
Emelia schnappte nach Luft. „Welches Jahr?“, erkundigte sie sich ängstlich. Seine Antwort entsetzte sie noch mehr. „Das kann nicht wahr sein! Ich habe doch nicht zwei Jahre meines Lebens vergessen! Das ist völlig unmöglich!“
Beruhigend legte Dr. Pratchett seine kräftige Hand auf ihre zitternden Finger. „Versuchen Sie, ruhig zu bleiben, Emelia!“, riet er ihr eindringlich. „Dies ist jetzt selbstverständlich eine höchst verwirrende, beunruhigende Zeit für Sie. Nach einem Koma kommen einem Menschen die ersten Tage im richtigen Leben extrem unwirklich vor, aber nach einiger Zeit werden Sie sich wieder an alles erinnern können. Es braucht nur eine Weile, und Sie müssen unbedingt Ruhe bewahren. Lassen Sie es möglichst langsam angehen. Babyschritte, meine Liebe, ganz kleine Babyschritte!“
Emelia zog ihre Hand zurück und hielt sie demonstrativ in die Luft. „Sehen Sie?“, verkündete sie triumphierend. „Kein Ring. Ich sagte doch, es handelt sich um eine Verwechslung. Ich bin nicht verheiratet.“
„Sie sind ganz eindeutig Mrs. Emelia Louise Mélendez“, versicherte ihr der Arzt energisch. „Diesen Namen hat die Polizei Ihren persönlichen Papieren entnommen. Ihr Mann wartet draußen darauf, dass er Sie endlich sehen kann. Er ist gleich aus Spanien hierher geflogen, nachdem er von dem Unfall hörte. Außerdem hat er Sie als seine Ehefrau identifiziert. Während Ihrer Bewusstlosigkeit ist er kaum von Ihrer Seite gewichen.“
Doch Emelia hörte ihm gar nicht mehr zu.
Mein Ehemann? dachte sie fassungslos. Ein spanischer Ehemann? Und ich kenne nicht einmal seinen Vornamen? Wie kann man etwas so Wichtiges einfach vergessen? Wo haben wir uns kennengelernt? Wann haben wir geheiratet? Haben wir …? Wie oft?
In ihrem Magen breitete sich ein nervöses Flattern aus. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Emelia zwang sich zum Nachdenken und bekam dabei Schweißausbrüche. Der Nebel in ihrem Kopf wurde immer dichter.
Der Arzt verschwand, und einen Moment später wurde der Vorhang neben ihrem Bett erneut zur Seite gezogen. Ein hochgewachsener Fremder mit rabenschwarzen Haaren und tiefdunklen Augen stand plötzlich vor ihr. Nichts an ihm kam Emelia auch nur annähernd bekannt vor.
Mehrere Minuten lang betrachtete sie ihn und erkannte weder die schönen, klassischen Gesichtszüge wieder, noch die bronzene Haut, die dichten Augenbrauen, das kantige Kinn oder das halblange, lackschwarze Haar. Ihr waren die markante Nase fremd, der Dreitagebart und auch der sinnliche, leicht angespannte Mund.
Wieder kribbelte es in ihrer Magengegend, als sie den Schwung seiner Lippen betrachtete. Der etwas harte Zug um die obere wurde von der erotischen Fülle der unteren ausgeglichen. Ein Mund, der mit Sicherheit schon viele Frauen geküsst hatte. War auch sie schon von diesem Mann wild und fordernd geküsst worden? Oder zärtlich und liebevoll?
Nachdenklich fuhr sie sich über ihre eigenen staubtrockenen Lippen. Wenn dem so war, wieso konnte sie sich nicht daran erinnern?
„Emelia.“
Sein spanischer Akzent verlieh den Silben ihres Namens einen attraktiven exotischen Klang.
„Hm … Hallo.“ Was sollte sie schon großartig sagen? Hi, Geliebter, wie schön, dich wiederzusehen? Emelia krallte sich an ihre dünne Bettdecke. „Entschuldige, ich bin gerade ziemlich durcheinander.“
„Das ist schon in Ordnung.“ Noch zwei Schritte, dann stand er direkt neben ihr am Bett und blickte aus seinen schwarzen, tiefgründigen Augen auf sie hinunter.
Obwohl es so aussah, als hätte er sich tagelang nicht rasiert, konnte Emelia sein teures Aftershave riechen. Die leicht zitronige Note im Duft löste das sachte Gefühl einer Erinnerung
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