Julia Extra Band 0327
wiedererkenne“, entschuldigte sie sich aufrichtig. „An deiner Stelle wäre ich zutiefst verletzt.“
Seine dunklen Augen schienen noch ein wenig mehr ins Schwarze überzugehen. „Ist nicht so schlimm, querida . Vergiss es“, brummte er.
Und erst als der Vorhang sich nicht mehr bewegte, wurde Emelia die Ironie seiner Worte bewusst.
2. KAPITEL
„So, heute ist der große Tag“, verkündete die Krankenschwester strahlend und schob energisch die Vorhänge des Einzelzimmers zur Seite, das Emelia die letzten Tage über bewohnt hatte. „Sie dürfen endlich mit Ihrem hinreißenden Ehemann nach Hause fahren. Ich sage Ihnen, mein Mädchen, mir würde es nichts ausmachen, mit Ihnen den Platz zu tauschen. Nein, das würde es nicht.“ Sie grinste breit in sich hinein. „Das umwerfende Äußere würde mir ja schon reichen“, plapperte sie weiter, „aber er ist ja auch noch schwerreich. Ich müsste niemals wieder arbeiten!“
Emelia schenkte der fröhlichen Frau ein dünnes Lächeln und versuchte, die Tatsache zu ignorieren, dass ihr Magen sich vor Aufregung zusammenkrampfte, sobald sie an ihren großen, dunklen, schwerreichen Ehemann dachte! Der schweigsame Fremde, der ihr pflichtbewusst täglich einen Besuch abgestattet hatte, der kaum lächelte und seine Frau nur berührte, wenn es sich nicht länger vermeiden ließ. Vielleicht spürte er, dass Emelia noch nicht bereit war, zu früheren Intimitäten zurückzukehren. Um sich abzugrenzen, täuschte sie oft vor, zu schlafen. Aber wenn sie nun mit ihm nach Hause fuhr, würde sie sich der Realität stellen müssen.
Die Ärzte und auch das gesamte Pflegepersonal schienen sich zwar einig zu sein, dass Emelias Gedächtnisverlust nur von kurzer Dauer sein würde, doch die Patientin selbst war sich da immer noch nicht so sicher. Außerdem hatte sie Angst davor, die mittlerweile vertraute Umgebung des Krankenhauses zu verlassen und an einem unbekannten Ort nach ihren verlorenen Erinnerungen zu suchen.
Sie hatte sich ausführlich mit einer Psychologin über ihre Situation unterhalten, und Dr. Carey gab sich alle Mühe, Emelia Hoffnung zu schenken. Viele Menschen reagierten empfindlich darauf, von ihrem unter Amnesie leidenden Partner nicht mehr wiedererkannt zu werden. Es würde beide Seiten viel Geduld kosten, diese zwiespältigen Gefühle aus dem Weg zu räumen und sich einander wieder anzunähern.
„Die Dinge werden sich regeln, sobald Sie sich wieder in Ihrer gewohnten Umgebung befinden“, versprach die Psychologin. „Man muss sich nur genügend Zeit nehmen. Und der hektische Krankenhausalltag ist nicht gerade der geeignete Ort, um wirklich zur Ruhe zu kommen.“
Nachdenklich saß Emelia jetzt auf der Bettkante in ihrem Privatzimmer und wartete darauf, von Javier abgeholt zu werden. Dabei fiel ihr auf, wie dünn ihre leicht gebräunten Oberschenkel waren. Schon immer war Emelia ausgesprochen schlank gewesen, aber jetzt konnte man sie nur noch als dürr bezeichnen – was bestimmt nicht auf ein paar Tage Koma zurückzuführen war.
Gefalle ich Javier so am besten? fragte sie sich. Habe ich mich absichtlich heruntergehungert, um seinem Idealbild zu entsprechen?
Schon seit Tagen quälten Emelia die gleichen Gedanken: Wie schnell habe ich seinem Werben nachgegeben? Wann und wo haben wir uns zum ersten Mal geküsst? Was sieht er in mir? Wo hat er mich überall berührt? Welche erotischen Erfahrungen habe ich mit ihm geteilt?
Und auch harmlosere Fragen gingen ihr durch den Kopf: Wo war seine Villa überhaupt? Wie war sie eingerichtet? Welche Kleidung trug ihr Ehemann zum Schlafen? Was aß er am liebsten? Wie sah er nackt aus?
So viel zu den harmloseren Fragen …
Die Polizei hatte Emelia zum Unfallhergang befragt, aber sie konnte sich auch an dieses Erlebnis nicht mehr erinnern. Alles war in einem schwarzen Loch verschwunden, für sie unerreichbar. Man hatte ihr sogar ihre Handtasche überreicht, aber auch die wirkte auf Emelia, als würde sie einer fremden Person gehören. Lipgloss, Stifte, Taschentücher, Kaugummi, ein teures Parfum und ein höchst modernes Handy, das den Unfall nicht überstanden hatte. Das Display war zerbrochen, und es ließ sich nicht mehr einschalten.
Dann fiel ihr ein Päckchen Antibabypillen in die Hände, und Emelia las überrascht die Aufschrift: Emelia Mélendez. Es waren nur wenige Tabletten übrig. Entschlossen warf sie das Päckchen in den Mülleimer neben ihrem Bett und presste eine Hand gegen ihre Brust. Doch auch das konnte den
Weitere Kostenlose Bücher