Julia Extra Band 0330
nun wollen wir mal sehen. Da gibt es nämlich eine Farbe, die Ihnen sicher ausgezeichnet stehen wird. Wo ist das Ding denn nur?“
„Wem gehören all diese Sachen?“, wunderte Sophie sich laut und sah sich in dem Zimmer um. Die Möbel waren fast alle weiß, und der Raum wirkte mit seinen Kleidern, Büchern und Bildern irgendwie bewohnt.
„Ach, das sind hier alles ausgemusterte Dinge oder Reservesachen, für den Fall, dass Monica mal mit Freundinnen vorbeischaut.“
Jetzt sah Sophie Monica vor sich, wie sie sich in diesem hübschen Zimmer bewegte, lachte und ihre unbeschwerten Urlaubstage genoss. Auf beinahe jedem Foto war die zukünftige Braut zu finden: im Bikini am Strand oder auch mit geflochtenen Zöpfen in einer Schuluniform. Sophie lächelte über Monicas offensichtlichen Versuch, ihre Zahnspange zu verbergen.
Sie selbst hatte damals ebenfalls eine tragen müssen. Nur für zwei Jahre, aber zu jener Zeit fühlte es sich wie eine grenzenlose, nie enden wollende Demütigung an. Sophie hatte die Spange so sehr gehasst, dass sie ihrer Mutter nicht einmal für all die Überstunden danken konnte, die sie ableisten musste, um ihrer Tochter dieses Hilfsmittel überhaupt finanzieren zu können.
Betrübt stellte Sophie das letzte gerahmte Bild zurück und fuhr sich mit der Zungenspitze über die mittlerweile perfekt ausgerichteten Zähne.
Oh Gott, ich vermisse Mum so sehr! dachte sie traurig. Zum Glück hatte sie Jake nach dem Tod ihrer Mutter wiedergefunden.
Da stand noch ein Foto auf der Kommode, aber Sophie erkannte das junge Mädchen nicht. Neugierig nahm sie den silbernen Rahmen in die Hand und warf einen genaueren Blick auf die fröhliche Blondine, deren lange Haare um ihren Kopf wehten, während sie der Kamera einen Kuss zuhauchte.
„Ach, da ist er ja“, keuchte Millie schließlich. „Hier, probieren Sie den mal wegen der Größe an. Dazu gibt es einen passenden Sarong. Ich hole kurz ein großes Handtuch für Sie.“
Erleichtert bewunderte Sophie den eleganten saphirblauen Badeanzug mit den goldenen Applikationen. Und mit dem passend gemusterten Sarong würde sie sich wenigstens nicht so nackt fühlen. „Danke, Millie. Der ist wirklich toll. Ach, übrigens, wissen Sie zufällig, wer das hier ist? Dieses Mädchen. Ist sie eine von Monicas Freundinnen? Ich glaube, ich bin ihr nicht begegnet, obwohl ich alle Brautjungfern schon persönlich kennengelernt habe.“
Die Haushälterin kam näher und nahm Sophie das Bild ab. Dann wischte sie mit dem Zipfel ihrer Schürze über das Glas und lächelte traurig. „Eine sehr gute Freundin von Mr Caruana. Sie starb unter ziemlich tragischen Umständen. Er kann es nicht ertragen, das Foto irgendwo zu sehen, aber andererseits bringt er es nicht übers Herz, es einfach wegzupacken. Deshalb steht es hier, wo es ihm kaum in die Quere kommen kann. Ein hübsches kleines Ding, was? Manchmal frage ich mich, ob …“
Die ältere Dame verstummte, und Sophie befürchtete schon, ihr eigener ohrenbetäubend hämmernder Herzschlag hätte die Haushälterin zum Schweigen gebracht. Warum bedeutete dieses Mädchen Daniel so viel? Sophie musste es einfach herausfinden. „Was fragen Sie sich?“
Millie seufzte schwer. „Ach, nur, ob die Vorkommnisse von damals Mr Caruana dazu veranlasst haben, sich niemals wieder fest binden zu wollen. Offenbar war es sehr ernst zwischen den beiden.“ Dann putzte sie den Rahmen ein letztes Mal mit ihrer Schürze und stellte das Foto zurück. „Na ja. Ich werde Ihnen mal das Handtuch holen.“
Erschüttert ließ Sophie sich auf die Bettkante sinken. Mit den Fingerspitzen strich sie über das hauchzarte Wickeltuch in ihrer Hand, ließ den kühlen Stoff durch ihre Finger gleiten und sah dann wieder das fremde Mädchen an.
Sie war Daniel so wichtig, dass er noch heute ihren Anblick nicht ertragen konnte. Und dass er es nicht übers Herz brachte, sich von ihrem Foto zu befreien. Hatte er damals die Kamera in den Händen gehalten? Galten ihm der Kuss und die leuchtenden Augen?
Er musste dieses Mädchen sehr geliebt haben.
Aus irgendeinem Grund gefiel Sophie dieser Gedanke nicht. Es war ohnehin schwer vorstellbar, dass Daniel irgendjemanden aufrichtig liebte. Er machte einen so getriebenen, rastlosen Eindruck. Wenn er jemals ein offenes Herz gehabt hatte, war es vermutlich mittlerweile rettungslos verschüttet. Selbst die Liebe zu seiner Schwester beruhte eher auf einem brüderlichen Beschützerinstinkt als auf ehrlichem Interesse.
Entschlossen
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