Julia Extra Band 0330
vorzumachen – das hatte keinen Sinn. Trotzdem war Julie von Nikos’ Präsenz so benebelt, dass sie kaum einen klaren Gedanken fassen konnte.
„Sieh dir die Sterne an!“, sagte Nikos und legte den Kopf in den Nacken.
Es dauerte ein paar Sekunden, ehe Julie ihren Blick von ihm losreißen konnte. Mit einer Hand wies er gen Himmel und legte dabei die andere Hand auf Julies Schulter. Sie wurde ganz still und hielt die Luft an. Eine angenehme Wärme breitete sich in ihrem Oberkörper aus, und der Sternenhimmel war vergessen. Stattdessen hatte Julie den Eindruck, Nikos’ heißen Atem in ihrem Nacken zu spüren.
Dann war die Hand auf ihrer Schulter plötzlich verschwunden.
„Der Parkplatz liegt gleich dort drüben“, verkündete er knapp und wandte sich etwas zu schnell von Julie ab. Seine Schritte wurden immer größer, während er den Garten durchquerte, und Julie mühsam Schritt zu halten versuchte.
Wenig später hielt Nikos ihr die Autotür auf und zerbrach sich den Kopf darüber, was wohl gerade mit ihm geschah. Seine Kiefer mahlten aufeinander. Den ganzen Abend hatte eine unheimliche Veränderung in ihm stattgefunden, die Anlass zu höchster Besorgnis gab.
Ungeduldig trat er auf das Gas und manövrierte den Wagen auf die Straße. Der Abend lief gerade gehörig schief! Eigentlich sollte er doch nur einem Zweck dienen, nämlich dem, mit der Vergangenheit abzuschließen. Nikos wollte sich selbst beweisen, dass Julie keine unkontrollierbar starke Anziehungskraft auf ihn ausüben konnte.
Aber ein Seitenblick auf sie machte ihm unmissverständlich klar, dass er sich nur etwas vormachte. Alles an ihr war so lebendig, so beeindruckend und mitreißend. Und dieses Phänomen feuerte seine Emotionen an, ohne dass Nikos ihm Einhalt gebieten konnte.
Nur sie, nur Julie, war in der Lage, diesen Eindruck auf ihn zu machen. Nur Julie …
Auf dem Weg nach Belledon herrschte vielsagendes Schweigen zwischen ihnen. Nikos spürte, wie sich die Gefühle, die er nicht zu benennen oder einzuordnen wusste, in ihm manifestierten, vertieften, ihn nicht mehr losließen. Es wurde stärker und stärker.
Er sollte wegfahren, Julie einfach den Rücken kehren und so schnell wie möglich nach London zurückkehren. Der Architekt konnte warten. Jetzt war nur wichtig, Abstand von Julie zu gewinnen.
Doch alles in ihm wehrte sich gegen diese Entscheidung. Nachdem Nikos sein Auto vor dem Haus geparkt hatte, half er zuerst Julie beim Aussteigen und schloss dann sein Anwesen mit einem eigenen Schlüsselbund auf. Dann blieb er an der Tür stehen und wartete darauf, dass Julie eintrat.
Er wagte nicht, sie anzusehen oder mit ihr zu sprechen. Langsam, fast ängstlich, kam sie auf ihn zu und blieb direkt vor ihm stehen.
Als Julie ihm in die Augen sah, traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag ins Gesicht. Wenn er jetzt abfuhr, würde sie ihn vermutlich niemals wiedersehen. Ein weiteres Zufallstreffen war höchst unwahrscheinlich.
Ein sehnsüchtiger Schmerz durchfuhr sie, scharf wie ein Schwert. Trauer über das, was niemals sein konnte. Mit zittrigen Knien ging sie weiter.
„Julie!“
Für einen Sekundenbruchteil zögerte sie. „Leb wohl, Nikos.“
Ihre Stimme war kaum zu verstehen. Eigentlich hatte Julie ihm nur eine gute Nacht wünschen wollen, aber dann war ihr die Wahrheit herausgerutscht.
„Julie!“, sagte er noch einmal und legte ihr eine Hand auf die Schulter, um sie zurückzuhalten.
Nikos war ihr so nahe und flüsterte etwas auf Griechisch. Julie verstand ihn nicht, sondern sah nur, wie starr seine Miene wirkte. Doch in den Augen loderte unverkennbar ein Feuer, das sie augenblicklich schwach machte. Diesen Ausdruck erkannte sie sofort.
Oh, bitte nicht! Nikos!
Wie eine Druckwelle überwältigte sie das Gefühl, diesen Moment für immer festhalten zu müssen. Julies Muskeln spannten sich an, ihr Herz schlug merkwürdigerweise langsamer und das Atmen vergaß sie für eine Weile völlig. Die Zeit stand still, ebenso wie die Welt um sie herum.
Ein dunkle, warme Sommernacht, das funkelnde Sternenzelt am Himmel, leises Flüstern in den Baumwipfeln, der Ruf einer Eule – und Nikos. So dicht, so nah bei ihr. Und er hielt sie fest umschlungen, während er in seiner Sprache mit ihr redete, ohne eine Antwort zu erwarten.
Aber Julie brauchte keine Worte. Was sie wissen musste, las sie in seinen Augen. Und Julie verstand sein Begehren instinktiv, als Nikos die Lippen auf ihren Mund presste. Sie öffnete sich für ihn, Julie konnte gar nicht
Weitere Kostenlose Bücher