Julia Extra Band 0332
immerhin bereits eine geschlagene Woche verstreichen lassen, ohne auch nur den geringsten Versuch zu unternehmen, mit ihm in Kontakt zu treten.
Normalerweise entsprach es nicht seinem Stil, einer Frau nachzustellen oder sie gar zu bedrängen – dieses Mal jedoch lief nichts wie gewohnt. Was Maya betraf, schien ihn ein Dämon zu beherrschen, der stärker als sein Wille war. Brad fand dafür keine Erklärung, schwor sich jedoch, der Sache auf den Grund zu gehen.
Nachdem er wieder etwas ruhiger geworden war, sah er sich interessiert um. Ob ihm das Zimmer wohl etwas über Mayas Charakter verriet?
Die kleine Feuerstelle hinter dem Kamingitter war peinlich sauber, weder Kohlereste noch Asche waren zu sehen. Auf dem Sims darüber stand eine Keramikvase mit gelben und weißen Freesien. Brad beugte den Kopf dicht über den Strauß, schloss kurz die Augen und genoss den betörenden Duft. Dann streckte er sich und blickte wieder um sich.
Viel gab es in dem sauberen und ordentlich aufgeräumten Raum allerdings nicht zu entdecken. Ein helles Sofa, üppig mit orientalisch anmutenden Seidenkissen in allen nur erdenklichen Rottönen ausgestattet, ein abgewetzter Ohrensessel, der zweifellos schon bessere Tage gesehen hatte, ein alter Schrank in der Ecke und an der langen Wand ein Regal, das vor Büchern regelrecht überquoll. Die Wände waren nicht tapeziert, sondern lediglich weiß gestrichen.
Brad runzelte die Stirn. Die Einrichtung war ausgesprochen spartanisch, um nicht zu sagen schäbig. Jeder Statist, den er vom Theater her kannte, wohnte luxuriöser.
Plötzlich jedoch verschlug es ihm den Atem. Sein Blick war auf ein Gemälde gefallen, das neben zwei Filmplakaten an der Wand hing. Es handelte sich um das Porträt eines jungen Mädchens und war ein Meisterwerk, das erkannte er selbst aus der Entfernung. Als er näher trat, um es genauer zu begutachten, glaubte er, seinen Augen nicht zu trauen.
Erstens erkannte er Maya auf dem Bild – eine junge, verletzliche Maya auf der Schwelle zum Erwachsensein – und zweitens war ihm die Signatur in der rechten unteren Ecke vertraut wie seine eigene Unterschrift. Dieser Maler gehörte zu den wenigen britischen Künstlern, für deren Werke Millionenbeträge gezahlt wurden. Wer hätte das besser wissen sollen als er, der selbst stolzer Eigentümer eines dieser kostbaren Bilder war?
Brad besaß eine eindringliche und realistische Charakterstudie eines mittlerweile berühmt gewordenen Schauspielers in jungen Jahren. Sein Vater hatte den damals noch unbekannten, jedoch hoch talentierten jungen Mann entdeckt und gefördert. Das Bild war bei einer Kostümprobe für das Stück entstanden, mit dem dieser schließlich den Durchbruch erzielte.
Brad hatte das Gemälde von seinen Eltern geerbt, und es hing in der Bibliothek des alten Herrensitzes in Northumberland. Er hätte es schon unzählige Male verkaufen können, doch das wollte er nicht. Ganz im Gegenteil, schon seit Langem bemühte er sich um ein weiteres Werk des Künstlers.
Geistesabwesend rieb er sich den Nacken. In welcher Beziehung mochte Maya zu dem berühmten Mann gestanden haben? Weshalb hatte gerade sie Alistair Devereaux Modell gesessen? Wieso lebte sie in derart bescheidenen Verhältnissen und in einer der ärmlichsten Straßen in Camden, wenn sie ein Bild besaß, für das sie ein Vermögen hätte erzielen können?
Das summende Geräusch eines Föhns ließ ihn kurz aufschrecken. Nachdem er einen kurzen Blick über die Schulter geworfen hatte, konzentrierte er sich jedoch wieder ganz auf das Bild. Unweigerlich zog die Darstellung den Betrachter tiefer und tiefer in ihren Bann.
Selbst wenn man Maya nicht persönlich kannte, weckte der traurige Blick ihrer mandelförmigen grünen Augen sofort Mitgefühl und Fantasie. Besonders der Beschützerinstinkt eines Mannes wurde unmittelbar angesprochen. Was mochte dieses Mädchen erlebt haben? Wie ließ sich ihr Leid lindern? Das Porträt war von einem Geheimnis umgeben, das den Betrachter im tiefsten Inneren berührte.
Die Badezimmertür öffnete sich, und Maya betrat den Wohnraum. Sie trug jetzt Jeans, ein gemustertes Seidentop und war barfuß. Schüchtern lächelte sie Brad zu, der sie sofort leidenschaftlich begehrte.
„Das sind eindeutig Sie.“ Er wies mit dem Kopf auf das Porträt und versuchte, seiner Erregung Herr zu werden.
Mayas Lächeln verblasste.
„Der Künstler ist weltberühmt, wieso haben Sie ihm Modell gesessen?“, fragte Brad unbeirrt weiter. „War er
Weitere Kostenlose Bücher