Julia Extra Band 0332
vielleicht ein Freund der Familie?“
Irritiert schüttelte sie den Kopf. „Warum schalten die Leute nur den Verstand aus, wenn sie einen berühmten Namen hören? Warum sind sie fasziniert und reagieren begeistert, selbst wenn sie gar nicht wissen, was für ein Mensch diese Person ist? Denn das, so sollte man wenigstens meinen, ist es doch, was wirklich zählt, oder?“
4. KAPITEL
„Alistair Devereaux muss auf alle Fälle ein verzweifelter Mensch gewesen sein, sonst hätte er sich nicht selbst das Leben genommen“, erklärte Brad.
„Das wissen Sie also auch?“ Maya war verblüfft.
„Verwundert Sie das? Er war einer der berühmtesten und einflussreichsten Maler seiner Generation, und jeder, der auch nur etwas von Kunst versteht, weiß von seinem ausschweifenden Leben und dem gewaltsamen Ende.“ Durchdringend sah er sie an. „Sie haben mir jedoch immer noch nicht erläutert, weshalb gerade Sie ihm Modell gesessen haben.“
Acht Jahre waren schon seit dem Freitod ihres Vaters jetzt vergangen, doch die Erinnerung schmerzte, als sei es erst gestern gewesen …
Maya verschränkte nervös die Hände. Schock und Verzweiflung drohten sie zu lähmen. Das war immer so, wenn der Tod ihres Vaters zur Sprache kam. Sie versuchte, sich gegen ihre Gefühle zu wehren und Haltung zu bewahren.
Sie merkte Brad seine Verwirrung an. Offensichtlich war ihm völlig unverständlich, wie ein Nichts wie sie zu der Ehre gekommen war, dem weltberühmten Alistair Devereaux Modell gesessen zu haben. Maya empfand Brads Haltung als indirekte Kritik und fühlte sich abgewertet.
Maya senkte den Kopf. „Er war mein Vater.“
„Ihr Vater ?“ Brad war entgeistert.
„Ja.“
„Ich wusste gar nicht, dass er Kinder hatte!“
„Eine Tochter, ich besitze keine Geschwister.“
„Und wieso heißen Sie Hayward?“
„Weil ich nach seinem Tod den Geburtsnamen meiner Mutter angenommen habe.“ Müde ließ sie sich in den Ohrensessel sinken. Bisher war noch jedem ihrer Besucher das Bild aufgefallen, denn es bildete einen krassen Gegensatz zu ihrer armseligen Einrichtung. Auch Brad hatte sofort darauf reagiert, jedoch mit einem Unterschied: Im Gegensatz zu ihren sonstigen Bekannten waren ihm der Name und die Bedeutung des Künstlers durchaus bekannt.
Maya legte die Hände in den Schoß und spielte nervös mit ihren Fingern, die sich plötzlich eiskalt anfühlten. Brad schob die Kissen beiseite und setzte sich ihr gegenüber auf die Couch.
„Verständlich, bestimmt war Ihnen der Medienrummel zu viel“, meinte er mitfühlend. „Und Ihre Mutter?“
„Ich erinnere mich kaum an sie, ich war gerade vier, als sie starb.“
„Das ist hart. Sie standen schon ganz allein, als Sie noch nicht einmal richtig erwachsen waren. Wie sind Sie mit der Situation fertig geworden?“
„Ganz erfolgreich, wie Sie sehen.“ Mayas Unmut regte sich. Was ging ihn das an? Sie hatte eine anstrengende Woche hinter sich und keine Lust, sich mit Brad über ihre Privatangelegenheiten zu unterhalten. Er war sowieso nur auf das eine aus. Ob Jonathan Faraday oder Brad Walker, die Männer waren alle gleich. Sie richtete sich gerade auf.
„Ich möchte nicht unhöflich sein, Mr. Walker, aber was wollen Sie von mir? Sie sind ein viel beschäftigter Mann, weshalb verschwenden Sie Ihre kostbare Zeit mit einem Höflichkeitsbesuch?“
Er lehnte sich vor, stützte das Kinn auf und sah ihr in die Augen. „Ich hatte so gehofft, Sie würden mich anrufen.“
Ihr Herz flog ihm entgegen, doch sofort hatte Maya sich wieder gefangen. Illusionen brachten sie auch nicht weiter.
„Ich hatte kein Interesse an einem Wiedersehen“, erklärte sie schroff. „Ich brauche im Moment nur eins, nämlich …“
Sein entwaffnendes Lächeln ließ sie mitten im Satz abbrechen. Wieso gelang es Brad nur immer wieder, diese gefährlich romantischen Sehnsüchte in ihr zu wecken?
„Vielleicht kann ich Ihnen ja anbieten, wonach Sie suchen. Ich bin gekommen, um Ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten.“
Brad Walker war in der Tat ein hervorragender und überzeugender Schauspieler, doch Maya schwor sich, nicht auf ihn hereinzufallen. Sie besaß genug Erfahrung im Umgang mit Künstlern, um zu wissen, wie unzuverlässig sie waren. Durch und durch egoistisch und selbstherrlich, bereitete es ihnen nicht die geringsten Gewissensbisse, einen Menschen aus selbstsüchtigen Gründen zu umgarnen.
Für diese Erkenntnis hatte Maya bitteres Lehrgeld zahlen müssen. Stets hatte ihr Vater beteuert, immer
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