Julia Extra Band 0347
wies die Stewardess freundlich darauf hin, dass man, wenn man den Kopf beim Start nach rechts drehe, einen wunderschönen Sonnenuntergang miterleben könne. Georgie reagierte nicht. Sie wollte nie wieder einen Sonnenuntergang ohne Ibrahim erleben.
„Ist alles in Ordnung, Miss Anderson?“, fragte die Stewardess leicht besorgt.
„Mrs“, korrigierte Georgie, denn das war es, was sie war, ob Ibrahim es nun akzeptieren konnte oder nicht.
10. KAPITEL
Er war in London.
Seit der letzten gemeinsamen Nacht mit Ibrahim gab Georgie jeden Morgen „Zaraq“ in die Suchmaschine ein und las die aktuellen Nachrichten.
Die Epidemie, die die Nation lahmgelegt hatte, war vorüber.
Hassan und Dschamila hatten ihr Baby nach Hause gebracht.
Der König war so zufrieden mit seinem jüngsten Sohn, dass er nach einem kurzen Aufenthalt im Lande erneut „geschäftlich“ nach England geflogen war.
Georgie überflog die Neuigkeiten, und obwohl häufig über Ibrahim berichtet wurde … heute war nichts über ihn zu lesen.
Schon seit vier Tagen war sein Name nicht mehr erwähnt worden. Was nur bedeuten konnte, dass er in London war. Georgie war sich dessen sogar ziemlich sicher, vor allem, weil Felicity jedes Mal nur vage antwortete, wenn sie in den Telefonaten mit der Schwester mehr herausfinden wollte.
Und obwohl es logisch nicht zu erklären war, sagte ihr Körper ihr, dass Ibrahim hier war.
Es fiel ihr unheimlich schwer, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Ihre in der Schulmedizin verankerte Schwester mochte es belächeln, aber … Georgies Arbeit bestand aus mehr als nur Düften und Ölen. Um die beste Wirkung zu erzielen, musste man bei der Massage ein Stück von sich selbst einfließen lassen. Nachdem Georgie die ganze Woche über Klienten empfangen hatte, fühlte sie sich ausgelaugt.
Zwischen jedem Termin hörte sie ihren Anrufbeantworter ab und sah in ihren E-Mails nach. Die Sehnsucht wollte einfach nicht schwinden, und ständig musste sie sich zwingen, weiterzumachen.
„Eigentlich hatte ich eine Kopfmassage gebucht, aber ich gehe heute Abend noch aus.“ Sophia Porter war eine neue Kundin, und Georgie sah noch einmal den ausgefüllten Fragebogen durch. „Vielleicht sollte ich den Termin besser verlegen … Ich hatte nur gehofft, dass ich vielleicht etwas in Ihrem Laden finde, das …“ Die Frau schloss die Augen und presste mit zwei Fingern ihre Nasenwurzel. „Ich bekomme immer wieder Migräneanfälle. Ich habe schon alles Mögliche versucht, aber …“
„Warum lassen Sie sich nicht von mir eine Handmassage geben?“, bot Georgie an. Das war ein guter Anfang für Neukunden und erforderte nicht viel Aufwand. Als die Frau zögerte, fügte Georgie noch an: „Das geht auf Kosten des Hauses. Damit Sie sehen, ob es hilft, bevor Sie etwas kaufen.“
Sophia setzte sich, und Georgie wählte ihre Öle aus. Sie machte sich immer erst ein Bild von dem Kunden und ließ sich dann bei der Mischung von ihrem Instinkt leiten. Lavendel half gegen Migräne, da Sophia aber offensichtlich auch nervös war, fügte Georgie noch etwas Salbei und einen Tropfen Majoran hinzu, gab ein wenig von der Mischung in die hohle Hand und begann mit ihrer Massage.
Die Frau hatte wunderschöne Hände, lang und schmal und perfekt manikürt, doch trotz Georgies Bemühen entspannte Sophia sich nicht, sondern stellte Fragen. Nun, Reden konnte auch lockern, und so erzählte Georgie, dass sie gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt sei.
„Wo waren Sie denn?“
„Ich habe meine Schwester besucht. Sie lebt in Zaraq.“
„Oh ja.“ Sophia lächelte. „Ich habe schon davon gehört.“
Georgie öffnete eine weitere Phiole. Etwas zusätzliche Melisse könnte ihrer Kundin helfen, innerlich zur Ruhe zu kommen. Sobald der Duft ihr in die Nase stieg, regte sich die Erinnerung. Sie war wieder in der Wüste, dachte an ihn, und ihre Hände hielten für einen Sekundenbruchteil inne. Sie nahm sich zusammen und massierte weiter.
Sophia schloss die Augen und lehnte sich zurück. „Ah, Bal-smin. Erzählen Sie mir von Zaraq. Ist es schön dort?“
„Sehr.“ Und so erzählte Georgie. Erzählte von der weiten Wüste, die einst ein Ozean gewesen war, weshalb man noch immer Muschelschalen im Sand finden konnte. Erzählte von dem endlosen blauen Himmel und der goldenen Sonne, von flüsternden Sandstürmen und bizarren Regeln. Und als sie meinte, nicht mehr weitererzählen zu können, ohne dass ihr die Tränen kamen, sah sie auf und bemerkte, dass Sophia
Weitere Kostenlose Bücher