Julia Extra Band 159
„Kaum jemand bleibt länger."
„Abgesehen von Alex." Die Frau sah sie mit einer Mischung aus Neugier und Neid an. „Haben Sie denn keine Termine bei Ihrer Agentur einzuhalten?"
Alex schüttelte den Kopf. „Nein, ich arbeite selbständig. Das schränkt mich nicht so ein."
„Dann gehen Ihnen doch bestimmt einige Aufträge verloren, während Sie hier sind."
„Nachdem du sowieso aufhören willst, spielt das doch sicher keine große Rolle", warf Greg ein.
„Ach, du willst aufhören?" Margots Gesicht leuchtete auf.
„Wann haben Sie sich denn dazu entschieden?" wollte Cal wissen.
Hätte Greg nicht den Mund halten können? Alex hob die Schultern. „Greg ist ein bißchen voreilig. Ich spiele bisher nur mit dem Gedanken."
„Aber warum?" fragte eine andere Frau. „Sie sind doch noch so jung und haben bestimmt noch einige Jahre vor sich."
„Aber vielleicht will sie lieber aussteigen, solange sie noch ganz oben ist", vermutete jemand.
„Ich war nie ganz oben", wehrte Alex ab.
Cals Gesichtsausdruck war nicht zu entschlüsseln. „Und was wollen Sie jetzt machen?"
Sie hielt seinen Blick aus, aber sie ärgerte sich darüber, daß er immer noch Gefühle in ihr auslöste, über die sie keine Kontrolle hatte. „Ich weiß es noch nicht. Wie gesagt, ich spiele nur mit dem Gedanken."
„Es wird Ihnen sicher etwas einfallen." Er sah auf die Uhr. „Wir sollten aufbrechen, wenn wir nicht zu spät kommen wollen, um noch einen Tisch zu bekommen."
Alex fragte sich, wie er es eigentlich aushielt, ständig Gäste um sich herum zu haben. Die neue Gruppe kam am Montag. Das bedeutete, daß nur der Sonntag abend frei war. Greg hatte erzählt, daß Cal es finanziell nicht mehr nötig habe, Feriengäste aufzunehmen. Warum tat er es dann immer noch? Sie hielt ihn ja vieler Dinge für fähig, aber Habsucht schien nicht zu ihm zu passen.
Gerade als sie abfahren wollten, wurde Cal ans Telefon gerufen. Er winkte die beiden Minibusse weiter und versprach, mit dem Geländewagen nachzukommen.
„Da bin ich mir nicht so sicher." Margot hatte ihre Zweifel. „Warum denn nicht?" fragte Greg.
Margot kicherte. „Weil er Angst hat, daß Stella Quincy heute abend einen Großangriff startet. Er ist nämlich kein besonders begnadeter Diplomat."
Sie gab sich keine Mühe, ihre Stimme zu senken, und sehr wahrscheinlich hatten die anderen sie gehört. Zwar saß Stella Quincy im anderen Bus, aber peinlich war es trotzdem. Alex wagte nicht, sich umzudrehen.
„Mit Diplomatie kommt man bei der nicht weiter", sagte einer der Männer, und alle lachten. „Sie war von Anfang an hinter ihm her wie der Teufel hinter der armen Seele."
„Vielleicht ist sie ja auf der Suche nach der verlorenen Jugend." Das war eine Frau. „Aber gegen ihren Geschmack ist nichts einzuwenden. Er ist wirklich ein Prachtexemplar."
„Das finde ich auch", sagte ihr Partner. „Ich frage mich nur, warum du dann auf mich hereingefallen bist?"
„Mögest du dir deine Träume bewahren."
Alex stimmte in das allgemeine Gelächter mit ein. Sie war entschlossen, diesen Abend zu genießen, ganz gleich, wer dar an teilnahm und wer nicht.
Sie trafen rechtzeitig in der Gemeindehalle, in der der Tanz stattfinden sollte, ein, um noch zwei Tische zu ergattern. Alex
zog sofort das Interesse der männlichen Besucher auf sich. Mit den hochgesteckten Haaren und den freien Schultern sah sie auch wirklich hinreißend aus.
Margot freute sich. „Ich habe dir ja gesagt, daß sie dir alle zu Füßen liegen werden! Cal sollte sich besser beeilen, wenn er noch eine Chance haben will."
„Ich werde solange den Wächter spielen", Greg blickte dabei milde auf seine Schwester. „Das würde er für mich auch tun ..."
Alex beschloß, die beiden einfach zu ignorieren, und verkniff sich eine Antwort. Sie würden schon noch merken, wie es zwischen ihr und Carl stand, ohne daß sie etwas sagte.
Der erste Tanz war ein Walzer. Margot zog Greg zur Tanzfläche, schlang die Arme um seinen Hals und sah anbetend zu
ihm auf. Auf Alex wirkte Greg immer noch mehr nachsichtig als verliebt, aber Margot war damit offensichtlich zufrieden. Warum sollte sie sich also Sorgen machen? Seine Gefühle würden mit der Zeit bestimmt noch tiefer werden.
Sie sah Royd erst, als er vor ihr stand und sie am Ellbogen berührte. „Wollen wir tanzen?"
Da so viele Augen auf ihr ruhten, fand sie es unmöglich, ihn zurückzuweisen. Und so lächelte sie statt dessen höflich, stand auf und folgte ihm auf die
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