Julia Extra Band 348
Zeitschriften oder Bücher, denn gut die Hälfte der Passagiere hatte sich zu ihnen umgedreht.
„Ich habe mich nicht entschuldigt. Und ich werde mich auch nicht entschuldigen. Ich habe Ihnen lediglich den freien Sitz angeboten.“ Er verzog den Mund. „Den, um den Sie vorhin noch gebettelt haben.“
„Ich bettle nie. Ich …“ Anna verstummte.
„Mein Gott, Lady! Sind Sie beschränkt? Entweder Sie nehmen den Sitz, oder ich nehme ihn!“, rief jemand aus irgendeiner Reihe.
Anna wusste nicht, auf wen sie wütender war – auf ihren Vater, der sie in diese Situation gebracht hatte, oder auf den Mann, der ihr gegenüberstand. „Sie sind unmöglich.“
Draco blinzelte kurz. „Das soll wohl ein Ja sein.“ Er drehte sich um und ging den Gang entlang.
Und Anna tat das einzig Vernünftige: Sie folgte ihm.
Eine Stunde später stellte Anna ihren Laptop ab und verstaute ihn wieder. Sie war die Dokumente durchgegangen, hatte gelesen, was sie entziffern konnte, und sich Notizen gemacht. Eine genaue Vorstellung, worum es eigentlich ging, hatte sie dennoch nicht.
Irgendwo in Sizilien gab es ein Stück Land, das entweder ihrer Mutter oder einem Prinzen gehörte. Keines der Dokumente, die Anna gelesen hatte, bewies einen Besitzanspruch, nicht einmal andeutungsweise. Es sei denn, die handgeschriebenen Seiten auf Italienisch besagten etwas anderes.
Den Papieren, die ihr Vater ihr überlassen hatte, entnahm sie lediglich, dass Cesare mehrere Briefe geschrieben hatte. Auf die der Prinz mit einem Schreiben auf teurem Bütten geantwortet hatte. Ein halbes Dutzend Paragrafen für eine einzige unmissverständliche Aussage: Verzieh dich .
Klar war nur, dass ihr Vater darauf beharrte, das Haus Valenti hätte sich dieses Land unrechtmäßig angeeignet. Anna wusste nicht viel über das, was ihr Vater die „alte Heimat“ nannte, aber sie wusste genug, um sicher zu sein, dass Bauern sich nicht mit Prinzen anlegten.
Bei dem, was sie bei Durchsicht der Papiere erfahren hatte, hätte sie genauso gut in der Touristenklasse sitzen bleiben können, ohne Computerzugang und vor allem ohne diesen Mann.
Anna warf ihrem Sitznachbarn einen verstohlenen Seitenblick zu. Seit sie hier saß, hatte er keinen Ton gesagt. Der Laptop auf seinem Schoß beanspruchte seine gesamte Aufmerksamkeit.
Das sollte ihr recht sein.
War es aber nicht.
Jetzt, da sie wieder ruhiger geworden war, musste sie zugeben, dass er ziemlich gut aussah. Er hatte ein schönes, sehr männliches Gesicht, einen durchtrainierten Körper, starke Hände mit langen schlanken Fingern …
Sie wusste, wie diese Hände sich anfühlten. In der Lounge hatte er sie an der Schulter gehalten. Hier in der Ersten Klasse hatte er seine Hand an ihren Rücken gelegt, um ihr auf den Sitz zu helfen. Es war eine höfliche und unpersönliche Geste gewesen.
Und wenn er sie nicht nur unpersönlich berühren würde?
Anna runzelte die Stirn und richtete sich leicht auf. Blödsinn! Er war nicht ihr Typ und sie nicht seiner!
Also wieder zurück zu Bauern und Prinzen.
Andererseits … würde ein schlichtes „Danke“ sie umbringen? Wohl kaum. Und war es zu spät, um sich jetzt noch zu bedanken? Es ist nie zu spät, etwas Nettes zu tun, konnte sie Izzy fast sagen hören. Sie war nicht so liebenswürdig und gutmütig wie ihre Schwester und würde es nie sein. Aber sie konnte es zumindest versuchen, oder?
„Schon fertig?“ Er schaute sie an, die Andeutung eines Lächelns lag auf seinen Lippen.
Sie räusperte sich. „Ja.“
„Nicht gefunden, was Sie brauchten?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Ich auch nicht.“ Er klappte seinen Laptop zu. „Ich gehe in ein Meeting, bei dem ich von vornherein weiß, dass es reine Zeitverschwendung ist.“
„Ähnelt meiner Story.“ Sie lachte leise. „Hassen Sie so etwas nicht auch?“
„Und wie. Es gibt nichts Schlimmeres, als jemandem gegenüberzusitzen, der nicht begreift, dass es nichts zu holen gibt.“
„Es ist so sinnlos“, seufzte Anna. „Am liebsten würde ich in mein Meeting marschieren, verkünden, dass es keinen Zweck hat, mich umdrehen und wieder gehen. Wenn mein Verhandlungspartner auch nur einen Funken Verstand besitzt, macht er es ebenso.“
Draco lachte. „Hätte er einen Funken Verstand, würde er erst gar nicht erscheinen.“
„Stimmt.“
„Aber so ist das Leben, nicht wahr? Man kann nicht immer haben, was man will.“
Das war die perfekte Überleitung. „Was mich daran erinnert … Ich habe mich noch gar nicht bei Ihnen
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