Julia Extra Band 348
Schaufensterpuppe. Ich werde sie als Stellvertreterin zu dem Klassentreffen schicken“, sagte sie verärgert. Obwohl das Kleid an der gesichts- und bauchlosen Puppe tatsächlich besser aussah, war Chloe verletzt.
„Es ist ein wenig … gewagt.“
„Und du meinst, das kann ich mir bei meiner Figur nicht leisten?“
„Nein, so meine ich das nicht, Chloe …“
„Bis dahin bin ich dünner. Das Treffen ist erst in sechs Wochen. Wenn ich ein – oder eher eineinhalb – Kilo am Tag abnehme, passt mir das Kleid“, sagte sie im Weitergehen. „Vielleicht finde ich im Buchladen ein Kochbuch, in dem meine Lieblingsgerichte drin sind, aber mit weniger Fett und Kohlenhydraten.“
„Geh doch einfach ins Internet. Da findest du Tausende von Rezepten.“
Er als Technikfreak musste es ja wissen. Chloe schüttelte den Kopf. „Ich mag Bücher. Ich halte sie gern in den Händen und blättere darin. Außerdem – wenn ich Rezepte aus dem Internet herunterlade, sehe ich Millicent nicht.“
Millicent Cox war die Besitzerin von Bendle’s. Obwohl ihre Tochter inzwischen die Verantwortung für den Laden übernommen hatte, stand Millicent am Wochenende vormittags grundsätzlich hinter dem Verkaufstresen.
„Sie ist ein Unikum“, sagte Simon liebevoll, ganz anders als Chloes letzter Freund, der dasselbe mit einem abfälligen Unterton geäußert hatte.
Millicent ging auf die Achtzig zu und hatte ebenso viele Geschichten zu erzählen, wie sie sonderbare Bücher zu verkaufen hatte. In Anbetracht ihres Sortiments, zu dem unter anderem seltene Sammlerausgaben gehörten, und ihrer schillernden Vergangenheit, in der sie angeblich zeitweise CIA-Spionin gewesen war, war es jedes Mal ein Abenteuer, sie im Buchladen zu besuchen.
Als Chloe und Simon den Laden betraten, begrüßte die alte Dame sie mit einem zittrigen Winken.
„Euch habe ich ja schon ein ganzes Weilchen nicht gesehen.“
„Hast du dir Sorgen um uns gemacht?“, fragte Simon lächelnd.
„Aber nicht doch. Und, was habt ihr beiden in letzter Zeit getrieben?“, fragte Millicent.
„Das Übliche“, antwortete Simon schulterzuckend.
„Das heißt, dass er wie immer zu viel arbeitet“, erklärte Chloe.
„Und du?“, fragte Millicent.
„Ich arbeite nicht genug.“
„Immer noch Teilzeit?“
Chloe nickte. Seit drei Jahren war sie in Teilzeit in einer Grafikdesignfirma angestellt, was bedeutete, dass sie nebenbei freiberuflich arbeiten musste, um ihre Einkünfte aufzustocken. Das war alles andere als ideal, aber ihr Chef versprach ihr ständig, dass sie bald eine Vollzeitstelle bekommen würde.
„Und was macht die Liebe?“, fragte Millicent unverblümt. „Gibt es da irgendetwas Interessantes zu vermelden?“
„Leider nicht“, sagte Chloe, „ich bin immer noch Single.“
„Immer noch? Das sind schon mehrere Monate!“ Millicent klang entsetzt.
Der Tonfall Millicents, der dem von Chloes Mutter und der glücklich verheirateten Frannie so ähnlich war, ließ sie herausplatzen: „Simons Freundin hat gestern mit ihm Schluss gemacht.“
„Sie hat nicht mit mir Schluss gemacht.“ An Millicent gewandt fuhr er fort: „Wir haben in gegenseitigem Einvernehmen beschlossen, unsere Beziehung zu beenden.“
Die alte Buchhändlerin machte eine abwinkende Bewegung mit ihrer blau geäderten, dünnen Hand in seine Richtung. „Das ist genau das Gleiche, mein Lieber.“
Als Chloe kicherte, warf Simon ihr einen finsteren Blick zu.
„Workaholics sind schlechte Partner, Simon“, sagte Millicent. „Diese traurige Erfahrung habe mich mit meinen Ehemännern Nummer eins bis vier selbst machen müssen.“
Simon blinzelte verwundert. „Du warst vier Mal verheiratet?“
„Fünf Mal. Aber nur die ersten vier waren Workaholics. Unglücklicherweise lernte ich nur langsam.“ Sie zwinkerte hinter ihrer dicken Gleitsichtbrille. „Na ja. Ich hatte eben eine Schwäche für breite Schultern und knackige Hintern …“
Chloe ließ sich schon lange nicht mehr von Millicents Unverblümtheit schocken.
Auch Simon nicht. „Ich bin aber kein Workaholic“, protestierte er.
Zwar sah Chloe das anders, aber sie sagte nichts. Er verbrachte viel zu viel Zeit im Büro.
Und sie konnte nicht leugnen, dass auch er breite Schultern und einen ziemlich annehmbaren Hintern hatte.
„Als Chef habe ich viel Verantwortung, gerade jetzt. Meine Aufmerksamkeit wird an allen Ecken und Enden gebraucht.“
„Da sag ich nur: Delegieren, junger Mann. Delegieren.“
„Die Beziehung hätte
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