Julia Extra Band 348
konzentrieren.
Niemand und erst recht kein tattriger Greis mit einer anachronistischen Krone auf dem kahlen Schädel und einer ganzen Armee von Rechtsanwälten im Rücken würde ihrer Mutter Land stehlen!
Der Plan als solcher war gut. Und vielleicht wäre Anna damit auch durchgekommen, wäre sie nicht eine Viertelstunde zu spät und völlig abgehetzt durch die Glastüren eines eleganten Gebäudes an der Via Condotti gerauscht. So musterte die Empfangsdame sie lediglich hochmütig, nachdem sie der Frau gesagt hatte, sie habe einen Termin mit Prinz Draco Valenti.
„Und Sie sind?“
„Ich …“, es wurde Zeit, sich auf ihre Ressourcen zu besinnen, „… vertrete Signore Cesare Orsini.“
Die Empfangsdame nickte und griff nach dem Telefon. „Vierter Stock, den Korridor nach rechts, letzte Tür.“
Auch der Aufzug war elegant. Genau wie der Mann, der sie erwartete. Nur ein Mann, keine Armee von Anwälten. Ein Mann, der vor dem Fenster stand und ihr den Rücken zuwandte.
Alles an ihm strahlte Macht aus. Macht und Stärke, Männlichkeit und Jugend. Eine große schlanke Statur im grauen Armani-Anzug mit breiten Schultern und langen Beinen. Er stand da, die Arme offensichtlich vor der Brust verschränkt, die Beine leicht gespreizt. Seine Haltung signalisierte Ungeduld und Arroganz.
Seltsam, aber irgendetwas an diesem Mann kam ihr bekannt vor. Plötzlich klopfte Anna das Herz bis in den Hals hinauf. Nein, das durfte einfach nicht sein! Ihr entfuhr ein erstickter Laut. Der Mann hörte es.
„Ich schätze es nicht, wenn man mich warten lässt“, sagte er klirrend kalt und drehte sich um. „Sie!“
Mehr brachte Draco Marcellus Valenti, Prinz von Rom und Sizilien, nicht hervor. Annas einziger Trost war, dass das schockierte Erstaunen auf seinem klassisch schönen Gesicht von ihrer Miene widergespiegelt wurde.
5. KAPITEL
Draco starrte auf die Frau mit dem goldenen Haar und den meerblauen Augen, die im Türrahmen stand. Wider besseres Wissen hoffte er, dass es nicht die Frau aus dem Flugzeug war. Doch sie war es, eindeutig. Was wollte sie hier? Natürlich war sie in Rom, doch sie war garantiert nicht Cesare Orsinis Repräsentantin.
Hatte sie ihm vielleicht nachgestellt? Hatte sie die Episode nicht vergessen können und wollte die aufregende Reise in die Sphären der Sinnlichkeit nun zu Ende bringen, weil …
Unsinn. Seine Empfangssekretärin hatte sie als Cesare Orsinis Rechtsvertretung bei ihm angemeldet, und an seiner Empfangssekretärin kam niemand vorbei, ohne sich nicht entsprechend auszuweisen. Also musste die Frau wirklich …
„Ach du lieber Himmel“, stammelte sie. „Sie sind Draco Valenti?“
Draco holte tief Luft. „Und Sie sind …“
Sie lachte. Nein, eigentlich klang es wie ein Laut, der ein verzweifeltes Kreischen kaschieren wollte. „Der Orsini-Anwalt.“
„Wie klein die Welt doch ist“, meinte er trocken.
„Allerdings.“ Völlig abrupt verschwand der schockierte Ausdruck aus ihrem Gesicht. „Moment mal …“ Sie kniff die Augen zusammen. „Das war geplant.“
„Wie bitte?“
Jetzt kam wieder Farbe in ihr Gesicht. „Ich fasse es nicht! Dass jemand so weit sinken kann!“
„Vielleicht könnten Sie mich aufklären, Miss …“
„Sie haben mir eine Falle gestellt!“
„Was?“
„Sie hinterhältiger, mieser kleiner …“
„Überlegen Sie sich, wie Sie mit mir reden“, wies Draco sie scharf zurecht.
„Sie halten mich wohl für einen Einfaltspinsel?“
Was sollte das nun wieder heißen? Die Frau machte ihn wahnsinnig!
„Sie haben mich benutzt!“
„Wir sind wieder da? “ Draco lachte bitter. Mit abschätzigem Blick musterte er sie von Kopf bis Fuß. „Glauben Sie mir, zu gern würde ich diesen Anfall geistiger Umnachtung ungeschehen machen.“
So also nannte er das, was im Flugzeug passiert war – oder besser, fast passiert wäre? Einen Anfall geistiger Umnachtung? Anna kniff die Augen zusammen.
„Mir scheint es eher ein genau ausgeklügelter Plan gewesen zu sein. Nur hat der Plan nicht geklappt, nicht wahr? Weil ich nicht eine … eine von Ihren willigen Gespielinnen bin. Ein Mann, wie Sie glaubt, er braucht nur mit den Fingern zu schnippen und schon sinken ihm sämtliche Angehörige des weiblichen Geschlechts zu Füßen.“
„Was für eine höchst abstruse Auslegung physikalischer Gesetze“, kommentierte er kühl. „Und was hat das jetzt mit Ihnen und mir und dem Flugzeug zu tun?“
„Sie haben meine Position bewusst kompromittieren
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