Julia Extra Band 359
gegangen war, hatte er umgehend gehandelt. Es war der richtige Schritt.
Seltsam, dass Noelle und ihre Mutter eine so große Rolle in seinem Leben spielten, obwohl diese junge Frau nicht einmal zu wissen schien, wer er war. Weder sein Anblick noch sein Name hatten sie aufhorchen lassen.
Vermutlich war sie viel zu angetan von ihrem eigenen Glanz, um einen anderen Menschen richtig wahrzunehmen.
„Ich habe nicht vor, das Haus zu zerstören, Noelle. Ich will nur ausbauen. Vielleicht einen Pool anlegen.“
Sie zuckte bei seinen Worten zusammen. Es störte sie, dass er etwas verändern wollte. Sie fühlte sich diesem Haus so verbunden.
„Na schön. Da ich allerdings nicht mit in die Planung einbezogen werden möchte, lasse ich Sie jetzt allein, damit Sie in Ruhe hier herumschnüffeln können.“
„Ich glaube nicht, dass ich meine Zeit damit verschwenden muss, hier herumzuschnüffeln. Ich habe mich bereits festgelegt. Es ist eine gute Investition, und es sieht nicht so aus, als ob dieses Haus Verluste bringt.“
Erneut wandelte sich der Ausdruck in ihren Augen. Jetzt funkelten sie vor lauter Wut. „Dann kaufen Sie es also, einfach so? Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ob Sie das … mit Ihrem Monatsbudget vereinbaren können?“
Freudlos lachte er auf. „Das ist nicht meine Hauptsorge.“
Er sah, wie sie mit sich kämpfte, obwohl sie eine entschlossene Miene zur Schau trug. Sie war nicht ganz so, wie er sie sich vorgestellt hatte. Verwöhnt, das ja. Sie hatte eindeutig eine Tendenz zur Primadonna. Aber sie war auch stark. Und das machte sie umso interessanter.
„Warum ist das Haus so wichtig für Sie?“ Er hoffte, dass dem so war. Denn alles hing davon ab, dass sie seinem Vorschlag zustimmte.
„Was glauben Sie wohl?“ Ihre Stimme brach erneut. „Es ist mein Zuhause. Außerdem: Wenn die Bank es einkassiert, bleibt mir vom Verkauf kein Cent. Dann habe ich nichts mehr, weniger als nichts. Und ich weiß nicht wohin.“
„Die wenigsten Singlefrauen leben allein in einem Anwesen, das Platz für zehn Familien bietet“, warf er ein.
Noelle kämpfte um Gelassenheit. Sie wollte keine Schwäche zeigen. Schließlich hatte sie gelernt, nach außen hin ruhig zu bleiben, ganz egal, wie es in ihr aussah. Wenn ihre Mutter ihr früher vor einem Auftritt erzählt hatte, dass sie nicht mehr schön sei und dass es ihr Fehler sei, wenn keine Tickets mehr verkauft würden, hatte sie trotzdem noch auf die Bühne gehen und am Flügel ihr Bestes geben müssen.
Doch das schien ihr heute nicht mehr zu gelingen. Jetzt klang ihr Spiel gestelzt, leer. Es war nichts als technisches Können.
Sie holte Luft. „Es geht nicht darum, mich zu verkleinern, auch wenn das für die Stromrechnung nicht schlecht wäre.“ Wobei sie sich die größte Mühe gegeben hatte, diese Rechnung so niedrig wie möglich zu halten: kein Licht am Tag, keine Heizung. Die einzige Wärme spendete der Kamin in ihrem Schlafzimmer, damit sie nachts nicht fror. „Ich habe tatsächlich nichts mehr“, sagte sie, zutiefst beschämt.
Er hob eine dunkle Braue, doch seine Miene wirkte kühl, ohne das geringste Anzeichen von aufrichtigem Interesse. „Wie ist das möglich?“
Ihre traurige Geschichte würde sie ihm ganz sicher nicht offenbaren. Im vergangenen Jahr hatte sie ein gehöriges Maß an Stärke entwickelt. Wobei es an manchen Tagen schon schwer gewesen war, überhaupt aufzustehen. Aber sie hatte es geschafft, ohne jede Unterstützung. Dass sie nun um Hilfe bat, verletzte ihren Stolz und ihr Unabhängigkeitsgefühl. Doch da sie bald ohne Heim dastehen würde, war Stolz vielleicht nicht länger angebracht.
„Alles ist verloren. Wissen Sie denn nicht, wie es Kinderstars ergeht, deren Eltern alles für sie regeln? Man hört doch immer wieder davon.“
Jetzt war sie kein Kind mehr, und deshalb uninteressant für das Publikum. Ein neunjähriges Mädchen, das eigene Werke auf dem Flügel spielt, ist eine Sensation. Wenn eine erwachsene Frau das Gleiche tut, fehlt das Besondere.
Plötzlich war alles vorbei gewesen, und die Musik in ihrem Kopf hatte aufgehört zu spielen. Früher war sie erfüllt gewesen von endlosen Melodien. Aber wenn sie nun eine schöne Landschaft betrachtete, hörte sie nichts mehr. Jetzt war es still in ihr, wie tot. „Meine Mutter hat mir alles Geld genommen.“ Der Verrat fühlte sich immer noch wie eine Wunde in ihrem Inneren an, die nicht heilen wollte.
Diese Worte entlockten ihm endlich eine Reaktion, einen
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