Julia Extra Band 361
bleistiftdünnen Models dachte. Was dummerweise zur Folge hatte, dass sie sich einen Moment lang ziemlich verunsichert fühlte. „Ich hasse diese blöden Diätvorschriften. Sie machen einen so strubblig im Kopf, dass man ständig nur noch darüber nachdenkt, was man essen darf und was nicht. Da halte ich mich lieber an meinen gesunden Menschenverstand.“
„Schön, was hältst du davon, wenn du für mich bestellst?“
„Ja klar, gern.“ Sie lächelte ihn an.
Als sie den Kopf hob, kam der Kellner mit Oliven und Weißbrot an ihren Tisch und fragte nach ihren Wünschen, ohne Tariq besondere Beachtung zu schenken. Tariq konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal in einem Lokal weitgehend ignoriert worden war. Der Kellner beeilte sich nur, ihm zu versichern, wie glücklich er sich schätzen konnte, in Gesellschaft einer so bezaubernden Frau speisen zu dürfen.
Tariq musste dem Mann definitiv recht geben. Izzy sah heute Abend wirklich bezaubernd aus. Ihr glänzendes lockiges Haar fiel ihr wie ein leuchtender Wasserfall über den Rücken. Das schwarze Seidenkleid hatte mehr Pep als alles, was er je an ihr gesehen hatte, und betonte perfekt ihre üppigen Kurven. Im Tal zwischen ihren Brüsten glitzerte ein tropfenförmiger Brillant, den sie an einer dünnen Kette um den Hals trug. Außerdem war sie eingehüllt in diese undefinierbare Aura sexuellen Erwachens …
Mit Mühe riss er seinen Blick von ihrem Dekolletee los und blickte ihr in die mit schwarzem Kajal umrandeten bernsteinfarbenen Augen. „Dann bist du also Stammgast hier, nehme ich an?“
„Schon seit Jahren. Ich habe das Lokal entdeckt, kurz nachdem ich nach London kam. Es ist so warm und einladend hier. Und am Anfang, als ich noch nicht viel Geld hatte, konnte ich mich stundenlang an einem Glas Wein festhalten, ohne dass jemand Anstoß daran nahm.“
„Warum auch? Ein hübsches Mädchen schmückt den Raum, wer sollte da etwas dagegen haben? Das ist kostenlose Werbung.“
Isobel schüttelte den Kopf. „Wirst du jetzt zynisch, Tariq?“
„Das ist nicht zynisch, sondern eine Tatsache. Als Unternehmer kenne ich mich in diesen Dingen aus, Izzy.“
Sie wartete, bis der Kellner Mineralwasser in ihre Gläser geschenkt hatte. „Wolltest du schon immer Unternehmer werden?“
„Was denn sonst? Trapezkünstler vielleicht?“
„Na ja, du hättest zum Beispiel in deinem Heimatland irgendein Regierungsamt anstreben können. Früher hast du …“
Er runzelte die Stirn, als sie sich unterbrach. „Früher? Was meinst du mit früher ?“
„In der Schule.“ Sie zuckte die Schultern. „Bei dieser einen Unterhaltung, die wir damals über dein Heimatland hatten, das klang alles so … fast schwärmerisch, romantisch auf jeden Fall. Deshalb dachte ich …“
„Ja?“, hakte er nach, weil sie wieder verstummt war.
„Ach, ich weiß nicht genau. Dass du eines Tages wieder zurückgehst in dein Land. Um dort in einem Palast zu leben und in den silbernen Flüssen zu angeln, von denen du erzählt hast.“
„Nachdem mein Bruder dort König ist, wohl eher nicht mehr“, sagte er, jetzt mit einem stählernen Unterton in der Stimme. „Seine Ernennung kam sehr unerwartet, wodurch sich alles für mich veränderte.“
Isobel musterte ihn forschend. „Was alles?“
„Mein ganzes Leben. Bis dahin war ich nur ein Scheich in einem kleinen Wüstenstaat, der tun und lassen konnte was er wollte. Aber als unser Onkel starb, wurde mein Bruder König, und ich war plötzlich der Thronfolger. Der Ersatzmann.“
„Und ist das denn so schlimm?“
„Versuch du doch mal, wie ein Goldfisch im Glas zu leben! Ich habe alle Beschränkungen, aber keinerlei Macht. Meine Freiheit war mir schon immer wichtiger als alles andere … Und plötzlich wurde mir diese Freiheit genommen. Deswegen wollte ich nur noch weg von Khayarzah.“ Er machte eine Pause. „Außerdem gibt es immer nur Platz für einen Herrscher.“
„Und hast du Heimweh?“
Während er ihr in die Augen schaute, wurde ihm klar, dass er ihr jetzt schon mehr erzählt hatte als jemals irgendwem sonst.
„Eigentlich nicht“, sagte er nachdenklich. „An hohen Feiertagen und im Urlaub fahre ich in mein Land, das reicht. Für mich ist dort kein Platz.“
Isobel trank einen Schluck aus ihrem Glas, während der Kellner zwei Teller mit dampfender Pasta vor sie hinstellte. Seine letzten Worte wirkten fast verstörend. Für mich ist dort kein Platz. Klang das nicht schrecklich resigniert und einsam? Und hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher