Julia Extra Band 362
Ihnen“, entgegnete die Kundin an der Tür. „Ich danke Ihnen sehr, meine Liebe.“
Marisa hatte Tewaka aus verschiedenen Gründen als Wohnort gewählt. Einer davon war die hervorragende Kindertagesstätte.
Ihr Herz schwoll vor Stolz, als ihr kleiner Sohn auf sie zurannte und sie anlachte.
„Hallo, mein Liebling. Wie war dein Tag?“
„Gut“, erklärte er strahlend wie immer. Für den fünfjährigen Keir war jeder Tag gut. Wie wohl Rafe Peverils Tage gewesen waren, als seine Mutter ihn verlassen hatte?
„Hast du auch einen guten Tag gehabt?“, fragte Keir.
Sie nickte. „Ja. Ein riesiges Kreuzfahrtschiff ist in die Bay of Islands eingelaufen, und ich hatte eine Menge Kunden.“
Keir kramte in seiner Hosentasche. „Darf ich zu Andys Geburtstagsparty gehen? Bitte“, bettelte er. „Ich hab’ das hier von ihm bekommen.“ Er überreichte ihr einen etwas zerknitterten Umschlag.
Sie nahm ihn entgegen. Keir war ein fröhlicher, zuversichtlicher Junge, der sofort Freunde gewonnen hatte. Die würden ihm fehlen, wenn sie wegzögen. „Ich lese das zu Hause. Aber ich habe jetzt schon nichts dagegen.“
Wieder strahlte er und plapperte selbst beim Einkauf im Supermarkt fröhlich vor sich hin. Keir war der Mittelpunkt ihres Lebens. Sein Wohlergehen war die Grundlage jeder Entscheidung, die sie seit ihrer Schwangerschaft getroffen hatte.
Was immer ihm fehlte, er hatte eine Mutter, auf die er bauen konnte und die ihn von ganzem Herzen liebte. Das war weit mehr, als Rafe Peveril in seiner Kindheit bekommen hatte. Er war ein Jahr älter als Keir gewesen, als seine Mutter ihn verlassen hatte.
Sie spürte eine große Zuneigung zu dem Kind, das er einmal gewesen war. Hatte ihn diese erste große Enttäuschung seines Lebens so hart und verschlossen werden lassen?
In dieser Nacht konnte sie nicht einschlafen. Die Erinnerung daran, wie er sie beobachtet, fast begutachtet hatte, hielt sie wach. Sie war damals nur der Schatten einer unbedeutenden grauen Maus gewesen – und unglaublich erleichtert, dass er sie kaum wahrnahm.
Bilder ihrer schmerzlichen Ehe mit David tauchten auf. Sie wäre fast an dieser Beziehung zerbrochen. Ohne Rafe Peveril würde sie ihr Leben vermutlich noch immer auf dieser Hazienda in Mariposa verbringen, unfähig, die Stärke für den Aufbruch zu neuen Ufern aufzubringen.
Es hatte eine Reihe von Jahren gedauert, dieser dunklen Welt aus Niedergeschlagenheit und Unsicherheit zu entrinnen. Nun, da sie für ihren Sohn allein verantwortlich war, würde sie sich niemals mehr unter die Fittiche eines Mannes mit solcher Dominanz begeben.
Wenig später stand sie mit einer Tasse Pfefferminztee in der dunklen Küche des kleinen älteren Häuschens, das sie gemietet hatte. Sie zog eine schmerzliche Grimasse, als sie in die klare Sommernacht hinaussah. Eine Nacht, wie geschaffen für Liebende, mit einem Mond am Himmel, der die Umgebung in eine silbrig glänzende magische Landschaft verwandelte.
Sie war so hingerissen, dass sie erst wieder in der Realität ankam, als ihr heiße Flüssigkeit über die Finger rann.
Eilig stellte sie die Tasse ab und ließ kaltes Wasser über die Hand laufen, bis der stechende Schmerz nachließ.
„Das kommt davon, wenn du so träumerisch in den Mond starrst“, sagte sie zu sich selbst. Sie nahm die Tasse wieder auf und wandte sich vom Fenster ab.
Das Wiedersehen mit Rafe Peveril hatte eine ganz neue Energie in ihr geweckt.
Eigentlich kaum verwunderlich. Schon als er damals nach seiner Ankunft in Mariposa aus dem alten Jeep geklettert war, hatte sein Anblick in ihr eine feste Entschlossenheit geweckt. Seine ursprüngliche männliche Vitalität – kraftvoll, aber diszipliniert – hatte ihre Apathie durchbrochen.
Irgendwie hatte sie den Mut gefunden, ihm von der schweren Krankheit ihrer Mutter zu erzählen. Als David dann Rafes Angebot ablehnte, sie mitzunehmen, musste sie sehr mit sich kämpfen, um ihm zu widersprechen.
Marisa fröstelte. Gott sei Dank war sie nicht mehr dieses gebrochene schwache Wesen von damals. Heute wunderte sie sich manchmal über sich selbst und war froh über ihr neues Leben.
Die erste Hürde hatte sie längst übersprungen. Wenn sie nur dieses nagende Gefühl loswerden könnte, einfach loslaufen zu wollen. Zu fliehen. Solange es noch möglich war.
Was wäre, wenn er herausfand, dass sie und Mary Brown dieselbe Person waren?
Was wäre, wenn David noch immer in seinen Diensten stand und Rafe ihrem Exmann ungewollt verriet, wo sie und
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