Julia Extra Band 362
Keir sich aufhielten?
Wenn er von der Lüge erführe, die sie David hatte auftischen müssen – die Lüge, durch die es ihr erst möglich gewesen war, sich und ihren Sohn schließlich und endlich von ihm zu befreien?
Marisa nahm einen tiefen Atemzug und trank den letzten Schluck lauwarmen Tee. Das alles würde nicht passieren, weil sich ihr Exmann noch nie um Keir gekümmert hatte.
Sich solche Sorgen zu machen hieß, Zeit und Energie zu verschwenden. Sie musste lediglich Rafe Peveril aus dem Weg gehen, was nicht allzu schwierig sein sollte angesichts des Imperiums, das er zu verwalten hatte. Die Arbeit hielt ihn sicher für den größten Teil seiner Zeit von Tewaka fern.
Als sie die Vorhänge wieder zuzog, fühlte sie sich sicherer. Wenn sie sich von ihm fernhielt, konnte sie schon recht bald Pläne für eine Zukunft weit weg von Tewaka schmieden.
An einem Ort, wo sie sicher sein und ein neues, unbeschwerteres Leben führen konnte.
Ein neues Leben …
Das Gleiche hatte sie sich bereits von dem Umzug nach Tewaka erhofft. Ihr ganzes bisheriges Leben war eine Aneinanderreihung von Neuanfängen gewesen.
Das Schlimmste wäre jetzt, in Selbstmitleid zu versinken. Bevor sie sich für einen neuen Ort entschied, musste sie überprüfen, ob irgendjemand dort um ihre wahre Identität wissen konnte.
Außerdem, dachte sie voller Grauen, würde sie sich ein Paar langweilig brauner Kontaktlinsen besorgen.
2. KAPITEL
Keir verbrachte zwei Nachmittage in der Woche im Geschäft seiner Mutter. So konnte Marisa ein wenig Geld für die Kita einsparen. Er mochte es, sich mit Kunden zu unterhalten und sich im kleinen Büro mit seinem Spielzeug zu beschäftigen.
Dort hielt er sich gerade auf, als Marisa eine tiefe, klangvolle Stimme vernahm. Ihr Herzschlag schien beinahe ihre Brust zu sprengen.
Rafe Peveril. Es war fast eine Woche her, dass er das Bild bei ihr gekauft hatte, und sie hatte gerade begonnen, sich ein wenig zu entspannen. Bitte lass ihn wegen eines anderen Geschenks noch einmal hier sein und danach nie mehr wiederkommen, betete sie.
Aber es kam anders. Ohne Vorrede fragte er sie: „Haben Sie möglicherweise eine Verwandte namens Mary Brown?“
Panik breitete sich in ihr aus. Sie wollte ihn nicht belügen, aber sie musste. „Soweit ich weiß, besitze ich keine weibliche Verwandtschaft. Mit Sicherheit niemanden mit diesem Namen. Warum?“
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie die Bürotür sich langsam öffnete. Ihr Herz drohte stillzustehen.
Keir, bleib, wo du bist, betete sie insgeheim.
Aber ihr Sohn kam neugierig herausgetrippelt und starrte hoch zu dem Mann, der neben seiner Mutter stand.
„Mummy“, begann er zögernd.
„Nicht jetzt, mein Liebling.“ Marisa musste um Fassung ringen. „In einer Minute bin ich bei dir.“
Keir schenkte ihr einen resignierten Blick, wandte sich aber widerspruchslos zum Gehen um.
„Ich kann warten“, sagte Rafe, seine Stimme plötzlich viel weicher. Er blickte zu dem Kleinen hinunter. „Hallo, ich bin Rafe Peveril. Wie heißt du?“
„Keir“, antwortete ihm der Junge, der es gewohnt war, sich mit fremden Erwachsenen zu unterhalten.
„Keir wer?“
Keir brach in helles Lachen aus. „Nicht Keir Wer – ich heiße Keir Somerville.“
Marisa mischte sich nun ein. „Du gehst jetzt, Keir.“
Aber Rafe hakte nach: „Das ist schon in Ordnung. Wie alt bist du, Keir?“
„Ich bin fünf Jahre alt“, erklärte Keir gewichtig. „Ich gehe schon zur Schule.“
„Und wer ist deine Lehrerin?“
„Mrs Harcourt“, sagte Keir. „Sie hat einen Hund und ein Kätzchen, und gestern hat sie das Kätzchen in die Schule mitgebracht.“ Mit einem kritischen Seitenblick auf seine Mutter fuhr er fort: „Ich will auch ein Kätzchen, aber Mummy erlaubt es noch nicht, weil das Kätzchen den ganzen Tag allein wäre. Aber ich kenne eine Frau, die hat auch ein Geschäft, und sie hat einen kleinen Hund, der im Geschäft den ganzen Tag auf einem Kissen schläft und immer glücklich ist.“
Gottlob kam ein weiterer Kunde dazu, sodass Marisa ihren Sohn noch einmal zurechtweisen konnte. „Jetzt gehst du aber endlich, Keir.“
Widerstrebend bewegte sich der Kleine Richtung Büro, nicht ohne Rafe noch ein Lächeln zu schenken und sich zu verabschieden. „Auf Wiedersehen, Mr Pev’ril.“
Rafe sah ihm nach, bis der Kleine außer Hörweite war. Dann wandte er sich wieder Marisa zu. „Ein reizender Junge.“
„Danke“, gab sie emotionslos zurück. „Kann ich Ihnen
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