Julia Extra Band 362
dass er es für rein geschäftliche Freundlichkeit hielt.
„Hallo, Mr Peveril, das Geschenk für Ihre Schwester ist fertig“, sagte sie mit gesenktem Blick.
„Vielen Dank.“ Nach einem kurzen Seitenblick fuhr er fort: „Sagen Sie, geben Sie eigentlich Kurse im kreativen Verpacken von Geschenken?“
Sie antwortete mit einem fragenden Heben einer Augenbraue. „Bislang nicht.“
Er tippte auf das Paket. „Das ist ein wunderbares Werk. ZuWeihnachten hätten Sie gewiss sehr großen Zuspruch.“
Geistloser Small Talk war nicht sein Ding, das wusste sie. In Mariposa war er freundlich gewesen, aber ganz der große Boss …
Hör auf, an Mariposa zu denken.
Es kostete sie einige Anstrengung, ihm unbefangen in die Augen zu schauen. „Danke für den Tipp. Ich werde einen Aushang ins Fenster hängen und schauen, wie die Kundschaft reagiert.“
Als ob er ihre Gedanken lesen könnte, sagt er mit kühlem, prüfendem Unterton: „Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass wir uns früher schon einmal begegnet sind. Andererseits könnte ich mich sicher daran erinnern, wenn es so wäre.“
Oh mein Gott! Sie musste all ihre Selbstbeherrschung aufbringen, als sie höflich erwiderte: „Ich mich auch! Ganz gewiss, Mr Peveril.“
„Rafe.“
Sie musste schlucken. Die Leute hier waren sehr offen. Deshalb war es Unsinn zu glauben, dass der Gebrauch des Vornamens schon eine besondere Nähe bedeutete.
„Rafe“, sprach sie ihm mit einem harmlosen Lächeln nach. „Ich würde mich ganz bestimmt auch daran erinnern.“ Verdammt, musste das in seinen Ohren nicht wie ein zarter Flirt klingen? Eilig fügte sie hinzu: „Ich bin mir sicher, dass Ihrer Schwester das Bild gefallen wird.“
„Das glaube ich auch. Danke.“ Er nickte ihr zu, klemmte das Paket unter den Arm und verließ das Geschäft.
Sie war so erleichtert, dass ihr fast schwindelig wurde, und musste einmal tief durchatmen, bevor sie sich wieder ihrer Kundin zuwenden konnte. Nach weiteren zehn Minuten hatte diese endlich einen Entschluss gefasst. Während Marisa das Geschenk verpackte, beugte die Frau sich vor und sagte in verschwörerischem Ton: „Gina Smythe ist nicht Rafes leibliche Schwester, wissen Sie.“
„Nein, das war mir nicht bekannt.“ Marisa hasste Tratsch. Trotzdem hatte die Bemerkung sie neugierig gemacht.
„Das arme Ding war in einer Pflegefamilie nicht weit von hier untergebracht. Sie mochte die Leute nicht, riss aus, als sie sechs Jahre alt war, und versteckte sich in einer Höhle auf Manuwai.“
Als sie Marisas verständnislosen Blick bemerkte, ergänzte sie: „Manuwai ist das Anwesen der Peverils draußen an der Nordküste. Die Familie hat sich dort vor langer Zeit niedergelassen – ein unglaublich schönes Stück Land. Rafe hat Gina dort gefunden und sie mit nach Hause genommen. Seine Eltern haben sie schließlich adoptiert, er selbst ist ein Einzelkind.“
„Aha. So war das.“ Kein Wunder, das Rafe und Gina nicht den gleichen Nachnamen hatten.
Und sie war so sicher gewesen, dass die selbstsichere Art dieser Frau angeboren sein musste …
Die Kundin trat näher. „Wenn ich ‚Eltern‘ sage, meine ich eigentlich die Stiefmutter. Seine leibliche Mutter hat ihn und den Vater verlassen, als Rafe sechs war. Es war damals ein riesiger Skandal. Sie ließ sich scheiden und heiratete einen Filmstar, wurde wieder geschieden und heiratete einen anderen. Es kursierte das Gerücht, dass der frühere Mr Peveril Millionen auf den Tisch gelegt hat, um sie endlich loszuwerden.“
Marisa versuchte, der Frau das Wort abzuschneiden, doch die fuhr mit gesenkter Stimme fort: „Sie war eine sehr schöne Frau – immer unterwegs nach Auckland, nach Australien und auf Kreuzfahrten.“ Sie klang, als wären diese exotischen Paradiese der Ausbund der Hölle.
Marisa reichte der Kundin ihr verpacktes Geschenk in einer speziell für ihr Geschäft entworfenen Papiertasche. „Vielen Dank“, sagte sie bestimmt.
Die Frau ließ sich nicht abschrecken. „Rafe hatte von Geburt an ein Kindermädchen. Seine Stiefmutter – die zweite Mrs Peveril – war sehr nett, doch sie konnte keine Kinder bekommen. So musste Rafe als Einzelkind aufwachsen. Wie schade …“
Ihr Redeschwall wurde beendet, als ein weiterer Kunde den Laden betrat. Marisa ergriff sofort die Gelegenheit, sie dezent zu verabschieden. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass es Ihrer Enkelin gefallen wird. Wenn nicht, tausche ich es gerne um.“
„Das ist außerordentlich freundlich von
Weitere Kostenlose Bücher