Julia Extra Band 362
Wimperntusche, Eyeliner, Aspirin und was sonst noch drin war, hinein. Natürlich kommt er zurück, dachte sie, während sie sich mit einem Kamm durchs Haar fuhr und sich einen Pferdeschwanz machte.
Der Mann war vieles, aber dumm war er nicht. Er wusste, dass Ethan das Kind seines Bruders war, das hatte sie in seinen Augen gelesen, auch wenn der letzte Beweis noch ausstand. Was er nicht wusste, nicht wissen konnte, und niemals wissen durfte, war, dass Ethan nicht ihr gehörte.
Andererseits, jetzt, da Rami tot war und ihre Schwester nach Gott weiß wohin verschwunden, hatte sie den gleichen Anspruch auf das Baby wie Karim.
Im Gegensatz zu ihr verfügte dieser Mann jedoch über unermesslichen Reichtum und beherrschte ein Königreich!
Rachel rannte ins Schlafzimmer und schlüpfte eilig in BH, Slip, Jeans, Socken und Turnschuhe. Sie musste sofort weg hier, aus der Wohnung – und aus der Stadt. Der Kleine schlief zum Glück immer noch. Sie würde ihn schlafen lassen, bis sie gepackt hatte und …
Ihr stockte der Atem.
Die Tür. Die Wohnungstür. Vielleicht war es ja nur ein Trick gewesen, und der Scheich war immer noch hier. Aber selbst wenn er wirklich weg war, hatte er diesen verdammten Schlüssel! In neu aufflackernder Panik durchsuchte sie die Räume. Als sie sicher sein konnte, dass sie allein war, schloss sie die Wohnungstür zweimal von innen ab und ließ den Schlüssel stecken, dann schnappte sie sich einen Stuhl und rammte die Lehne unter die Türklinke.
So, jetzt konnte er kommen.
Ein Scheich. Ein lebender Anachronismus, der in dem Wahn lebte, in den letzten Jahrhunderten hätte sich nichts verändert und er könnte tun und lassen, was er wollte. Alles. Zum Beispiel ihr das Baby wegnehmen.
„Da täuschst du dich aber gewaltig“, sagte Rachel laut, während sie zurückging zu Ethan, der aufgewacht war und quengelte. Der Kleine war weinerlich, weil er zahnte. Normalerweise hätte sie ihn jetzt auf den Arm genommen und sich mit ihm in den alten Schaukelstuhl gesetzt, aber die Zeit drängte.
Sie beugte sich über das Kinderbett und sagte: „Hallo, kleiner Mann! Willst du wissen, was wir jetzt machen?“
Sein mürrischer Gesichtsausdruck verriet ihr, dass es ihm ziemlich egal war. Rachel griff nach einem Beißring aus weichem Plastik am Fußende des Bettchens und hielt ihn dem Kleinen hin. Weiche Babyfinger schlossen sich um den Plastikring und führten ihn zu seinem Mund. Wunderbar! Ein paar Minuten Ruhe, mehr brauchte sie nicht. Sie holte ihren Koffer aus dem Schrank und warf ihn aufs Bett. Es folgten eine Handvoll T-Shirts, BHs und Slips, Jeans. Socken. Ein Wollpullover sowie ein Hoodie mit Reißverschluss.
„Ratzfatz!“, sagte sie zu Ethan, der immer noch auf dem bunten Ring herumkaute. „So schnell geht das, siehst du? So, und jetzt bist du dran. Weißt du schon, was du für die Reise anziehen möchtest? Und wie findest du es überhaupt, dass wir verreisen? Ist das nicht aufregend?“
Das Baby gab einen kleinen Rülpser von sich.
„Okay. Vielleicht nicht.“ Rachel zog die Schubladen mit Ethans Sachen auf. Schlafanzüge. Strampler, Söckchen. Winzige T-Shirts und Pullover, ein ebenso winziger Overall. „Ich geb’s ja zu, dass ich es früher gehasst habe, wenn Mama wieder mal ankam und verkündete, dass wir verreisen. Suki und ich wussten dann sofort, was uns blüht, und das Allerschlimmste war, dass es immer passierte, wenn wir uns gerade in einer neuen Schule eingewöhnt hatten. Ganz schrecklich!“
So, sonst noch was? Windeln, natürlich. Zwei Babydecken. „Aber das passiert dir mit mir nicht, mein Herz, verlass dich drauf.“ Und was hatte sie vergessen? Ah, Babynahrung. Fläschchen, Flaschenwärmer. Die kleinen Gläser mit Frucht- und Gemüsebrei. Ein schneller Umweg in die Küche und wieder zurück ins Schlafzimmer. „Wir suchen uns einen hübschen Ort zum Leben, ein Häuschen mit Garten, und vielleicht können wir uns sogar eine Katze anschaffen.“
Rachel hielt inne.
War das wirklich realistisch? Ihre Mutter war ständig auf der Flucht gewesen, aber irgendwie hatten ihre Schulden und Affären sie doch immer wieder eingeholt. Und sie selbst wollte vor einem Prinzen fliehen, dem alle Mittel zur Verfügung standen, um sie ausfindig zu machen?
Rachel erschauerte. Nein! Zweifel konnte sie jetzt nicht gebrauchen. Im Moment waren andere Dinge wichtig. Sollte sie zum Flughafen fahren und viel Geld für ein Flugticket ausgeben oder lieber zur Busstation und den nächsten Bus
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