Julia Extra Band 362
Magen knurrte. Karim grinste.
„Und Sie sind also überhaupt nicht hungrig, hm?“ Er entließ die Flugbegleiterin mit einer Handbewegung und schenkte ihnen beiden Kaffee ein. Dann griff er nach einem Teller und belud ihn mit Kanapees und Obst. „So, und jetzt dazu, wo wir uns befinden.“ Er schaute sie an, während er ihr den Teller und eine große Leinenserviette reichte. „Ich bin ein Prinz.“
„Das ist mir bekannt.“
„Und Botschafter meines Landes.“
„Schön für Sie“, gab Rachel kühl zurück.
Karim trank einen Schluck Kaffee. „Das bedeutet, dass für dieses Flugzeug und seine Insassen die Gesetze meines Landes gelten. War Ihnen das bekannt?“
„Ich bin amerikanische Staatsbürgerin. Sie können nicht einfach …“
„Das ist ein Irrtum. Solange Sie sich in der Luft in meinem Flugzeug befinden, unterliegen Sie der Gesetzgebung meines Landes.“
Rachels Hand zitterte. Vorsichtig stellte sie ihre Kaffeetasse ab.
„Wagen Sie jetzt nicht zu behaupten, Ethan und ich wären hier völlig rechtlos“, versetzte sie scharf. „Weil es eine Lüge wäre.“
„Vielleicht lassen Sie mich erst einmal ausreden, bevor Sie Ihrer Empörung Luft machen.“ Karim wartete einen Moment. Dann räusperte er sich. „Ich habe nachgedacht …“
„Muss ich jetzt beeindruckt sein?“
Er wollte lachen. Sie war wild entschlossen, ihm Kontra zu geben, aber er konnte sehen, dass ihre Hand zitterte. Sie war wirklich eine interessante Frau. Harte Schale, weicher Kern, wie der Volksmund sagt. Und zärtlich, zumindest zu dem Kind. Ob sie im Bett auch so war? Verdammt. Er musste sich zusammenreißen.
„Wir wollen beide das Beste für das Kind“, sagte er ruhig.
„Für Ethan, meinen Sie.“
„Ja. Wir wollen das Richtige für ihn. Es gibt keinen Grund, warum wir Feinde sein sollten.“
„Und was wäre in Ihren Augen das Richtige, Hoheit?“
„Bitte. Nennen Sie mich Karim.“
Was spielte er jetzt wieder für ein Spiel? Rachel nippte an ihrem Kaffee, was es ihr erleichterte, ihre Verwirrung zu kaschieren. Sie traute ihm nicht, keine Sekunde. Aber vielleicht hatte er ja tatsächlich nachgedacht und war zu dem Schluss gelangt, dass es für ihn die Sache einfacher machte, wenn er sie dazu brachte, zu kooperieren. Doch darauf würde sie nicht reinfallen. Weil klar war, dass sie beide für Ethan eben nicht dasselbe wollten.
Sie wollte, dass ihr Baby in einer liebevollen, warmherzigen Atmosphäre mit ihr zusammen aufwuchs. Während er überzeugt war, dass es für Ethan besser war, als Ramis Sohn in einer extrem privilegierten und reglementierten Umgebung heranzuwachsen. Dass Rami davon nicht gerade profitiert hatte, war unübersehbar gewesen. Ganz davon abgesehen, dass der Gedanke, sie könnte Ethan freiwillig hergeben, einfach nur absurd war.
„Es freut mich, dass wir beide gleichermaßen an Ethans Wohlergehen interessiert sind“, sagte sie hölzern. „Aber …“
„Warum hat mein Bruder Sie verlassen?“
Die Frage brachte sie für einen Moment aus dem Konzept.
„Hören Sie, ich will wirklich nicht darüber reden …“
„Warum nicht? Ich könnte mir vorstellen, dass Sie eine Menge zu erzählen haben. Immerhin waren Sie eine gewisse Zeit mit Rami zusammen und haben ein Kind von ihm.“
„Ich will jetzt nur noch nach vorn schauen und …“
„Hat er denn keinerlei finanzielle Verpflichtungen übernommen?“
Rachel stellte ihre Tasse ab. „Sehr freundlich, dass Sie sich Gedanken machen, Hoheit, aber ich will, wie schon gesagt, nach vorn schauen.“
„Ich auch. Und gerade deshalb spreche ich über eine Zukunft, um die sich mein Bruder hätte kümmern müssen. Er hat Sie und den Jungen finanziell in keiner Weise abgesichert, oder?“
Sie starrte ihn an und sah, dass er wütend war. Auf Rami, wie ihr klar wurde. Nicht auf sie. Als es ihr bewusst wurde, bekam sie Gewissensbisse, weil sie ihn belog. Aber war das nicht lächerlich?
Rachel erwiderte nichts, und es blieb still, bis Karim sich räusperte. „Ich weiß, dass es nichts ändert, trotzdem finde ich, Sie sollten wenigstens wissen, dass er nicht immer so … so gleichgültig und kalt war. Unsere Kindheit war nicht … ganz einfach. Diese Erfahrungen haben ihn verändert.“
„Und Sie nicht?“
„Doch, sicher. Aber wir haben auf unterschiedliche Weise reagiert.“ Er zog leicht eine Schulter hoch. „Es ist manchmal erstaunlich, zu sehen, wie weit sich Geschwister auseinanderentwickeln, obwohl sie unter den gleichen Bedingungen
Weitere Kostenlose Bücher