Julia Extra Band 362
aufgewachsen sind.“
„Stimmt“, hörte sich Rachel sagen, und als sie sah, dass er sie überrascht anschaute, fuhr sie ohne nachzudenken fort: „Ich habe meine Schwester früher geliebt, aber später war plötzlich alles anders.“
Karim nickte. „Weil sie nicht so ist wie Sie“, sagte er leise.
„Wir waren schon immer sehr verschieden, aber als Kinder hat uns das nicht weiter gestört.“
„Würde Ihre Schwester im Gegensatz zu Ihnen ihr Kind hergeben, damit es so aufwachsen könnte, wie es sich für einen Prinzen gehört?“
„Mir ist es egal, dass er ein Prinz ist. Er ist … er ist …“
Sie presste die Lippen aufeinander, aber es war zu spät. Der Ausdruck in Karims Augen war nicht zu entziffern, aber in seiner Stimme schwang ein schroffer Unterton mit, der eben noch nicht dagewesen war.
„Das ist der Beweis, Rachel. Eben haben Sie zugegeben, dass der Junge Ramis Sohn ist.“
Sie starrte ihn an. Er hatte sie in eine Falle gelockt. Ihm war es bei diesem Gespräch nur darum gegangen, diese eine Information aus ihr herauszukitzeln. Wie hatte sie bloß auf die Idee kommen können, dass dieser Mann vielleicht doch ein Herz hatte? Wie hatte sie vergessen können, dass er der Feind war? Rachel stellte ihre Tasse und ihren Teller auf dem Servierwagen ab.
„Sie übersehen etwas ganz Entscheidendes“, sagte sie kalt. „Ethan gehört zu mir.“
„Er ist ein Prinz.“
„Er ist ein kleiner Junge. Und er hat einen Namen.“
„Was hat das damit zu tun?“
„Sie nennen ihn nie bei seinem Namen. Sie reden von ihm wie von einem … einem Gegenstand. Einer Handelsware.“
Karim stellte seinen Teller ebenfalls ab und schob den Servierwagen weg. „Das ist lächerlich. Macht es Sie glücklich, wenn ich ihn bei dem Namen nenne, den mein Bruder ihm gegeben hat, ja? Schön, dann werde ich es tun, ich werde ihn …“
Rachel sprang auf.
„Ethan hat seinen Namen von mir! Ich habe ihn ausgesucht.“
Karim erhob sich ebenfalls. Wenn er bloß nicht so groß wäre. Sie hasste es, zu ihm aufschauen zu müssen, ihm diese sichtbare Macht über sie zu geben.
„In diesem Fall entschuldige ich mich noch einmal für Rami“, sagte er steif. „Offensichtlich war er ein ziemlicher Halunke.“
„Verdammt, hören Sie endlich auf, sich für ihn zu entschuldigen!“
„Das ist meine Pflicht. Ich weiß, dass er Sie verletzt hat, aber …“
„Verletzt? Mich?“ Rachel stemmte wütend die Hände in die Hüften. „Ich habe Ihren Bruder gehasst!“
„Und doch haben Sie mit ihm geschlafen“, ergänzte Karim eisig.
Ihre Wangen fingen an zu glühen.
„Sie haben ein Kind von ihm.“
Sie wandte sich ab und begann den Gang hinunterzugehen. Karim war mit ein paar langen Schritten bei ihr, legte ihr die Hände auf die Schultern und zwang sie, sich zu ihm umzudrehen.
„Was sind Sie bloß für eine Frau?“
Ihr Mund zitterte. Wenn es jemals angebracht gewesen wäre, die Wahrheit zu sagen, dann in diesem Moment. Aber sie konnte es nicht … auf gar keinen Fall!
„Das war … Zufall“, sagte sie, wohl wissend, wie hässlich ihre Worte klangen.
Karim verzog angewidert den Mund. „Reizend, wirklich.“
„Es war nicht so, wie Sie denken.“
„Darauf wette ich.“ Er umfasste ihr Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu schauen. „Hatte er gerade einen Haufen Geld gewonnen, als er zum ersten Mal mit Ihnen ins Bett ging?“
Rachels Hand schoss hoch. Er fing ihre Handgelenke ein und presste sie an seine Brust.
„Was ist Ihr Preis? Wie viel hat er Ihnen zahlen müssen, damit Sie Ihren Hass überwinden?“
„Sie elender Schuft! Sie wissen gar nichts von mir. Absolut überhaupt nichts, haben Sie mich gehört? Kein einziges verdammtes …“
Er presste seinen Mund auf ihren. Sie wehrte sich mit aller Kraft. Doch dann verlor sie, wie schon einmal, den Boden unter den Füßen, ihr Kopf wurde leer. Da war nur noch er, sein Geschmack, sein Mund und seine Arme, die sie umfingen. Ohne den Kuss zu beenden, hob er sie hoch, während sie ihre Finger in sein Haar wühlte und sich an ihn presste.
„Ich hasse dich“, flüsterte sie an seinem Mund, obwohl sie seinen Kuss erwiderte, obwohl sie keuchte, als er mit den Händen ihre Pobacken umspannte. „Ich hasse dich, Karim, ich hasse dich …“
Ein Gong ertönte. Und gleich darauf ertönte er ein zweites Mal, bevor der Pilot über Lautsprecher verkündete, dass sie in fünf Minuten landen würden. Karim stellte sie auf die Füße. Sein Gesicht war undurchdringlich,
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