Julia Extra Band 362
sie. Der Scheich mischt sich unters gemeine Volk. Wenn es nach ihr ginge, könnte er auch auf einem Besenstiel in seine Firma reiten. Er kam immer erst spätabends zurück, so spät, dass sie sich nie begegneten. Was Rachel nur recht war. Sehr recht sogar …
Mitte der Woche, nachdem sie eine weitere unruhige Nacht mit dem zahnenden Ethan auf dem Arm verbracht hatte, legte Rachel den Jungen hin, der endlich eingeschlafen war. Da sie selbst zu übermüdet war, um schlafen zu können, tappte sie in aller Herrgottsfrühe barfuß und im Nachthemd nach unten in die Küche, in der Absicht, sich Kaffee zu machen.
Sie wollte eben die Kaffeemaschine anwerfen, als das Deckenlicht aufflammte. Rachel schnappte erschrocken nach Luft. Als sie herumfuhr, landete ihr Blick auf Karim, der, bekleidet mit einer grauen Jogginghose, einem ebenfalls grauen kurzärmligen T-Shirt und Turnschuhen, die schon bessere Tage gesehen hatten, auf der Schwelle stand. Obwohl er verschwitzt wirkte und sich heute offensichtlich noch nicht rasiert hatte, sah er absolut umwerfend aus.
„Oh, ich …“
„Oh, ich …“, begannen sie wie aus einem Mund, und Rachel fuhr verlegen fort: „Ich wusste nicht …“
„Ich hatte keine Ahnung …“
Jetzt schwiegen sie beide.
Karim grinste, dann griff er nach dem Handtuch, das er sich um den Hals geschlungen hatte, und trocknete sich Gesicht und Arme ab. Rachel biss sich auf die Unterlippe, bevor sie zögernd lächelte.
„Du zuerst“, sagte er.
Sie schluckte schwer.
„Ich dachte nicht, dass so früh schon jemand auf ist. Ich wollte nicht stören.“
„Du störst nicht“, sagte er. „Ich komme eben vom Laufen und wollte nur …“
„Vom Laufen?“, wiederholte sie, immer noch verunsichert. Sie hatte schlicht nicht damit gerechnet, ihn so früh am Morgen zu treffen, geschweige denn in einer so umwerfenden, ganz und gar unprinzenhaften Aufmachung. Bei dem Gedanken zerrte ein Lächeln an ihren Mundwinkeln.
„Was ist?“, fragte er, ebenfalls mit einem angedeuteten Lächeln.
„Ach, keine Ahnung. Ich dachte bloß einfach nicht …“
„Was?“, fragte er, und sein Lächeln wurde breiter, während er sie musterte. Gott, sie ist wirklich ein Augenschmaus. Kein Make-up. Ihr offen über die Schultern fallendes Haar, das ihren Kopf umwehte wie eine goldene Wolke. Und dieser Körper, den sie unter diesem altmodischen Nachthemd versteckte, sodass Brüste und Hüften nicht mehr als süße Andeutungen waren.
„Ich wusste nicht, dass du regelmäßig läufst.“
Er grinste und schlug sich dabei mit der flachen Hand auf den nicht vorhandenen Bauch. „Ich muss. Sonst würde ich total aus dem Leim gehen.“
Rachel lachte. „Niemals.“
Er ging an ihr vorbei, öffnete den Kühlschrank und holte Orangensaft heraus. „Also gut, die Wahrheit ist, dass ich in letzter Zeit zu viel gesessen habe. Ich brauche Bewegung. Früher habe ich Football gespielt, während ich heute nur noch laufe …“
„Football?“, unterbrach sie ihn. „Oder Fußball?“
Er schaute sie an. „American Football.“ Er lächelte. „Du kennst den Unterschied zwischen Football und Fußball?“
Sie nickte. „Als Ethan ganz klein war, wachte er nachts oft auf, weil er Blähungen hatte. Dann habe ich ihn aus seinem Bettchen genommen und bin mit ihm im Zimmer hin und hergelaufen, und wenn es mir zu viel wurde, habe ich mich vor den leise gestellten Fernseher gesetzt. Da gab es um zwei oder drei Uhr morgens meistens nur Wiederholungen von irgendwelchen Fußballspielen …“
„Tooor!“ , sagte Karim.
Rachel lachte. „Genau! Fußball und Dauerwerbung.“
„Dauerwerbung?“
„Na ja, du weißt schon, diese Typen, die den Leuten das Ohr abquatschen und versuchen, ihnen Sachen anzudrehen, die kein Mensch braucht.“
Karim öffnete einen Hängeschrank und nahm zwei Gläser heraus, die er mit Saft füllte, dann hielt er Rachel ein Glas hin.
„Oh“, sagte sie eilig. „Nein, danke. Ich … also … ich sollte jetzt wohl besser gehen, damit du …“
„Du bist mir nicht im Weg. Und wenn du diesen Saft jetzt sofort nimmst“, fuhr er völlig ernst fort, „kriegst du noch eine Tasse Kaffee gratis dazu. Du musst bloß zweimal Porto und Verpackung bezahlen.“
Sie lachte. Ja, genauso funktionierte Dauerwerbung.
Karim grinste. „Aber jetzt mal im Ernst. Ich mache einen verdammt guten Kaffee, inklusive Porto und Verpackung. Einverstanden?“
Nein, protestierte ihr Verstand.
„Einverstanden“, sagte sie. Was kann bei einer
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