Julia Extra Band 362
Tasse Kaffee schon passieren?
Er machte Kaffee. Sie machte Toast. Er aß seinen Toast mit Erdbeermarmelade, sie ihren mit Frischkäse.
„Marmelade ist besser“, verkündete er.
Sie schüttelte den Kopf. „Viel zu süß so früh am Morgen.“
„Es gibt nichts Herrlicheres als etwas Süßes am Morgen“, gab er zurück und sah, dass sie rot wurde, obwohl er es nicht zweideutig gemeint hatte. Woraufhin er sich am liebsten über den Tresen gelehnt und sie geküsst hätte.
Aber er beherrschte sich. Irgendwie schien ihm dieser Moment, dieses leichte Geplänkel, wichtig. Deshalb räusperte er sich, sagte, dass es ungewöhnlich kühl sei für die Jahreszeit, und dann plauderten sie über dies und das, den mörderischen Verkehr, die neuesten Pläne der Stadtverwaltung für den Central Park und …
Und dann schwiegen sie.
Was mache ich, wenn er mich küsst? überlegte Rachel.
Und Karim dachte: Ich will sie küssen.
Ihr Herz begann schneller zu klopfen. Und seins auch.
Ihre Blicke begegneten sich.
„Also dann …“, sagte er.
„Also dann …“, sagte sie im selben Moment.
Sie standen auf. Und wandten sich in verschiedene Richtungen um.
„Also, dann will ich mal“, meinte er gespielt munter.
„Ich auch“, erwiderte sie genauso munter.
Er redete sich ein, dass er froh war, sie nicht geküsst zu haben.
Sie redete sich ein, froh zu sein, dass er nicht versucht hatte, sie zu küssen.
Trotzdem dachten sie beide den ganzen Tag über an nichts anderes als an diese entspannten Momente am frühen Morgen.
Eine ähnliche Begegnung fand nie wieder statt. Rachel verließ ihre Suite erst, wenn sie sicher sein konnte, dass Karim weg war. Ja, sie hatte entdeckt, dass er auch eine menschliche Seite hatte, doch was nutzte ihr das? Die Tage vergingen, und nichts passierte. Weder war von einem DNA-Test noch von einem Anwaltstermin die Rede.
Was sollte sie jetzt tun?
Da sie unter ständiger Beobachtung stand, war es unmöglich, einfach mit Ethan zu verschwinden. Deshalb blieb ihr keine andere Wahl, als Karim baldmöglichst zur Rede zu stellen, aber ihr Vorgehen dabei wollte genau überlegt sein.
Am Ende eines langen Tages – bei Ethan zeigte sich endlich der erste Zahn, und der nächste kündigte sich schon an – duschte Rachel, schlüpfte in ein Nachthemd und machte es sich dann mit Stift und Notizblock in dem großen Sessel bequem.
Es ist Zeit, dass ich Ordnung in meine Gedanken bringe, dachte sie und begann zu schreiben. Sie musste sich einen Anwalt beschaffen … außerdem …
Rachel gähnte. Sie war erschöpft. Es dauerte nicht lange, bis ihr die Augen zufielen. Block und Stift glitten aus ihren Händen, und sie schlief ein.
9. KAPITEL
Als Karim einige Stunden später an diesem Abend aus dem privaten Aufzug stieg, war es still im Penthouse. Rachel hielt sich immer in ihrer Suite auf, wenn er abends nach Hause kam. Und morgens waren sie sich auch nie wieder begegnet, weil er seit ihrer frühmorgendlichen Begegnung das Joggen ausfallen ließ und dafür früher ins Büro ging.
Einfach zur Sicherheit.
Weil er sonst womöglich …
Niemals, dachte er mit einem energischen Kopfschütteln, während er, im Gehen seinen Krawattenknoten lockernd, leise die Treppe hinaufstieg. Das wäre eine Katastrophe. Er wollte schließlich das Kind. Da wäre es schlicht dämlich, mit der Mutter dieses Kindes zu schlafen.
Und warum hatte er den Stein immer noch nicht ins Rollen gebracht? Warum hatte er den Anwaltstermin abgesagt und nie einen neuen vereinbart, ebenso wenig wie einen Labortermin? Eine noch bessere Frage war, warum er jede Nacht mit Herzklopfen über den Flur schlich, vor Rachels Tür stehenblieb und sich ausmalte, wie er diese Tür öffnete und Rachel weckte, sie in die Arme nahm …
Verdammt.
Nicht schon wieder! Sein Körper spannte sich an. Aber vielleicht ging es ihr ja ähnlich. Vielleicht mussten sie diesem unmöglichen Verlangen ja wenigstens ein einziges Mal nachgeben, um es für immer vergessen zu können? Und vielleicht war ja heute der geeignete Zeitpunkt, es hinter sich zu bringen?
Doch was war das? Ein Laut. Ein Wimmern.
Das Baby. Karim zögerte, überlegte, was er jetzt machen sollte. Doch dann ging er kurzentschlossen zu Rachels Suite, drückte die Türklinke herunter. Es war dieselbe Situation wie beim letzten Mal. Das dunkle Wohnzimmer. Weiches Licht, das durch den Spalt der geöffneten Tür zum Kinderzimmer drang. Und Rachel wieder schlafend im Sessel, im Nachthemd, mit offenem Haar, das
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