Julia Extra Band 363
Gäste zu führen, wo sie ungestört waren. „Was gibt es, Janine?“
„Eben war eine Frau an der Tür, die ich noch nie gesehen habe. Ich dachte, sie wäre eine Freundin der Familie und habe sie deshalb gebeten, mir ins Haus zu folgen.“
Etwas anzunehmen, statt genau nachzufragen, war der erste Fehler, der Janine bisher unterlaufen war. Cole sagte nichts und ließ sie weitersprechen.
„Als ich mich umdrehte, war sie plötzlich weg! Ich weiß nicht, ob sie noch irgendwo im Haus oder wieder gegangen ist. Ich habe Mack Bescheid gesagt, aber ich dachte, Sie sollten das wissen.“
Coles dunkles Gesicht blieb ausdruckslos. „Sie haben richtig gehandelt. Wie sah die Frau aus?“
„Sie war ziemlich groß, blond und trug etwas Gelbes.“
„Wie alt?“
Janine zuckte die Achseln. „Vielleicht fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig.“
Oder fünfunddreißig, sechsunddreißig, aber durch mehrere Schönheitsoperationen verjüngt? Möglicherweise eine von Bucks Verflossenen? Oder eine exotische Tänzerin, mit der sich sein jüngster Bruder in einer Bar in Elko eingelassen hatte, ehe er Vernunft angenommen hatte?
Buck war der Typ Mann, dem keine Frau widerstehen konnte. Er war im Luxus aufgewachsen und ließ sich kein Vergnügen entgehen. Die letzten paar Jahre hatten Cole und sein Bruder John alle Hände voll zu tun gehabt, um Bucks nächtliche Aktivitäten zu vertuschen. Cole hatte sogar heimlich seinen Onkel Richard in Reno gebeten, Buck letzten Sommer unter seine Fittiche zu nehmen, um ihm Vernunft beizubringen.
Cole unterdrückte ein Aufstöhnen, weil solch eine Frau es gewagt hatte, einen Fuß auf ihr Land zu setzen, obwohl sie erfahren haben musste, dass Buck mit seinen dreißig Jahren endlich sesshaft geworden war und vor zwei Monaten Lucy geheiratet hatte. Das fehlte seiner Schwägerin gerade noch.
Er wusste genau, wie Lucy sich fühlen musste. Cole hatte vor zehn Jahren seine Frau Jenny verloren und mit ihr seinen Traum von einer eigenen Familie. Vielleicht lastete ja doch ein Fluch auf den Farradays.
Coles Blick wurde kühl, und rasch sah er zu Lucy hinüber, die sehr blass war und mit ihrer Familie sowie mit Coles verheirateter Schwester Penny zusammenstand. Wut stieg in ihm auf.
Vorhin hatte er zugesehen, wie der Leichnam seines jüngsten Bruders in die Erde gelassen worden war, und der Schmerz war so groß, dass für kaum ein anderes Gefühl Platz blieb.
„Danke, Janine.“
Die Gäste standen in Gruppen zusammen, darunter auch Coles Anwalt Jim Darger mit seiner Frau. John und Coles Schwager Rich waren in eine ernste Unterhaltung vertieft. Auf der anderen Seite des Raums sprach Brenda, mit der er sich in letzter Zeit öfter traf, mit ein paar Freunden. Seine Nichten und Neffen hatten sich schon lange verdrückt, was er am liebsten auch getan hätte.
Unter den Umständen würde es niemand bemerken, wenn er ging. Je weniger Familienmitglieder von dieser Sache erfuhren, desto besser.
Falls sein ungebetener Gast gerade auf eigene Faust durch das Haus streifte, würde sein Ranchmanager Mack schnell mit ihr fertigwerden.
Einer Eingebung folgend, verließ Cole das Haus durch die Tür des Arbeitszimmers und ging zu den Autos, die draußen parkten. Falls sie versuchen sollte, auf diese Weise zu flüchten, konnte er sie abfangen.
Cole schrak zusammen, als in dem Moment, als er auf den Parkplatz trat, eine Frau, auf die Janines Beschreibung passte, aus einem weißen Kleinwagen stieg und ihn mit leicht heiserer Stimme ansprach. „Entschuldigen Sie bitte?“
Cole biss die Zähne zusammen.
Sie sah ganz anders aus, als er es sich vorgestellt hatte. Zum einen war sie nicht über dreißig, zum anderen trug sie ein zart limonenfarbenes Kostüm, das Eleganz und Stil verriet. Ihr glänzendes aschblondes Haar glich nicht im Entferntesten dem billigen Blond, das er schon im Geiste vor sich gesehen hatte.
Auch ohne teure Kleidung besaß ihr schlanker, aber wohl gerundeter Körper eine angeborene Eleganz. Sie hatte lange Beine – sehr lange Beine, sie war fast so groß wie er, stellte Cole fest –, dunkelblaue Augen und das Haar zu einem eleganten Knoten aufgesteckt. Ihr Blick verriet Intelligenz. Cole ließ sich einen Moment lang von ihrem Mund verwirren, der Leidenschaft verhieß, und um den ein Ausdruck lag, als könnte sie seine Gedanken lesen und würde seine Reaktion genießen. Aber das war natürlich unmöglich.
Dann beging er den Fehler, zu nahe an sie heranzutreten, und eine Mischung aus Parfum und
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