Julia Extra Band 364 (German Edition)
einen Internetzugang brauchen“, erklärte sie und unterbrach ihn in seinen Gedanken. „Ich muss ein wenig arbeiten, während ich hier bin.“
„Wir haben WLAN“, antwortete er. „Ich werde veranlassen, dass man dir das Passwort gibt.“
„Danke.“
Mit den Fingernägeln trommelte sie nervös gegen die Tasse. Sie holte Luft, als wollte sie etwas sagen, schwieg dann jedoch.
„Sag es, Habibi .“
Sie sah ihn mit ihren großen grauen Augen an und schien mit sich zu ringen.
„Ich möchte wissen, warum du mich nie hierher mitgenommen hast“, platzte sie schließlich heraus und gestikulierte wild, zeigte auf seine Kleidung. „Hier bist du du selbst: die Kleidung, die Wüste … Warum hast du es mir nie gezeigt? Hast du dich denn so sehr für mich geschämt?“
Jetzt hatte sie es ausgesprochen. Ihrem Schmerz, den sie seit ihrer Ankunft verspürte, seit sie ihn in seiner traditionellen Kleidung gesehen hatte, Ausdruck verliehen. Das war sein wahres Ich. Das hier war sein Leben. Und er hatte sie nie daran teilhaben lassen.
Sie wusste, warum. Doch sie wollte es aus seinem Mund hören. Sie wollte, dass er es zugab – dass er bereute, sie geheiratet zu haben. Der erneute Schmerz würde sie davor bewahren, wieder Gefühle für ihn zu entwickeln, während sie hier war.
„Ich habe mich nicht für dich geschämt.“ Maliks hübsches Gesicht blieb seltsam ausdruckslos. Sie glaubte ihm nicht. „Ich hätte dich schon irgendwann mitgenommen.“
„Irgendwann, ja?“, fragte sie spöttisch, ohne die Bitterkeit in ihrer Stimme unterdrücken zu können. Nicht einmal jetzt war er ehrlich zu ihr.
„Was willst du von mir hören, Sydney?“, fragte Malik entnervt. „Ich gebe zu, es hat nicht zu meinen Prioritäten gehört, dich hierher zu bringen. Ich war damals mehr mit anderen Gedanken beschäftigt – beispielsweise wann ich dich das nächste Mal nackt sehen würde.“
Wütend setzte Sydney die Kaffeetasse ab.
„Warum kannst du mir nicht einfach die Wahrheit sagen?“
Schatten legten sich über seine dunklen Augen, seine Gesichtszüge verhärteten sich.
„Dann verrate mir doch, was diese Wahrheit sein soll, und hör auf, um den heißen Brei herumzureden!“
„Du weißt ganz genau, was ich meine“, entgegnete Sydney aufgebracht.
Mit einem resignierten Seufzen erhob sich Malik von seinem Stuhl und sah verächtlich auf sie herab. Sie hasste diesen Blick. Immer ließ er sie vor eine Wand laufen, wenn sie etwas aus ihm herauskriegen wollte. Sie war damals so blind vor Liebe gewesen, dass sie dieses Warnsignal einfach nicht hatte erkennen wollen.
„Nein, das weiß ich nicht“, antwortete er schließlich leise.
Gut, sie würde es ihm sagen. Es musste endlich raus. Sie hatte diese Wahrheit schon viel zu lange mit sich herumgetragen, ohne mit irgendjemandem darüber zu sprechen.
„Ich glaube, du hast dich tatsächlich für mich geschämt“, stieß sie hervor. „Und ich glaube, du hast mich nie hierher mitgenommen, weil du es bereut hast, mich geheiratet zu haben.“
Sein Lachen klang bitter.
„Und deswegen hast du mich verlassen? Dich mitten in der Nacht ohne ein Wort davongeschlichen? Wegen deiner eigenen Unsicherheiten?“
„Ich habe dir eine Nachricht hinterlassen“, verteidigte sie sich. Und fühlte sich mit einem Mal furchtbar kindisch. Sie hatte ihren Koffer gepackt und Hals über Kopf die Flucht ergriffen, weil sie verletzt und völlig verunsichert gewesen war. Sie hatte Zeit zum Nachdenken gebraucht. Allerdings hätte sie damals nie gedacht, dass ein ganzes Jahr ohne jegliche Kontaktversuche seinerseits vergehen würde.
Vielleicht hatte sie zu impulsiv gehandelt, ohne vorher zu überlegen.
Aber welche Wahl hatte sie damals gehabt? Sie hatte dringend Abstand von ihm gebraucht.
„Ja, eine Nachricht, die so gut wie nichts aussagte.“
„Warum hast du mich dann nicht einfach angerufen und gefragt?“
Er trat einen Schritt näher an sie heran.
„Warum hätte ich das tun sollen, Sydney? Du hast mich verlassen. Und du hast nicht einmal den Anstand gehabt, vorher mit mir darüber zu sprechen. Was hast du von mir erwartet?“
Maliks Worte schnürten Sydney die Kehle zu. Ihr Magen krampfte sich zusammen. All die Bitterkeit, die sie seit einem Jahr in sich trug, schien mit einem Mal aus ihr herauszusprudeln. Sie musste es ihm sagen.
„Ich habe dich gehört, Malik. Ich habe gehört, wie du deinem Bruder erzählt hast, dass du es bereust, mich geheiratet zu haben. Du hattest den Lautsprecher
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