Julia Extra Band 368
Krankenhaus zu bringen.
Will drehte sich zu Stefano um und nickte. „Danke.“ Er seufzte. „Auch wenn mir lieber gewesen wäre, Sie hätten es gemacht.“
Stefano lächelte grimmig. „Nein, Erfahrungen muss man selber sammeln. Eines Tages braucht vielleicht der nächste Junge Ihre Hilfe.“
Will nickte und sah zum Schiff. „Ich muss dem Kapitän Bericht erstatten.“ Er nickte. „Bis später.“
Jetzt, da die Lage sich wieder entspannt hatte, spürte Kiki, wie erschöpft sie war. Plötzlich war es nicht mehr wichtig, dass nur Stefano neben ihr stand.
Sie sah ihn jetzt in einem anderen Licht, hatte gehört, wie er mit Mikey gesprochen hatte.
Stefano war ein freundlicher, aufmerksamer und geduldiger Lehrer gewesen. Das war der Mann, in den sie sich verliebt hatte. Bei Will war er großartig gewesen, und er hatte sich um die Sorgen des Jungen gekümmert.
Aber was war mit Stefano und ihr neun Monate zuvor passiert? Verdiente sie nicht die gleiche Rücksicht, die er für eine unbekannte Familie aufbrachte?
Es machte keinen Sinn, dass er ohne ein Wort verschwunden war.
Was steckte dahinter?
„Wir sollten reden.“
Stefano lächelte sie an. „Wollen wir uns irgendwo hinsetzen?“
Oh ja, das sollten sie tun, aber diesmal nicht wieder in seine Kabine.
5. KAPITEL
Stefano führte Kiki in ein Café auf dem Oberdeck und wählte einen Tisch am Rand unter einer riesigen Palme. Kiki war alles egal, sie spürte jetzt, wie die Übelkeit zurückkam und alles andere ausblendete.
Stefano runzelte die Stirn, als er sah, wie blass sie war. „Willst du etwas essen?“
Kiki wurde von einer Welle der Übelkeit übermannt und zuckte zusammen. „Nein, danke, nur einen schwarzen Tee.“
„Geht es dir nicht gut?“
Er beugte sich vor, und sein Rasierwasser stieg ihr in die Nase. Diesmal war es nicht ihr Magen, der reagierte.
„Irgendetwas ist mir nicht bekommen.“
„Seltsam, ich habe auch keinen Appetit … auf Essen.“ Seine Augen wurden dunkler, und Kikis Körper reagierte sofort. In seinen Augen stand ein Funkeln.
Kiki musste lächeln. „Hör auf damit.“
Er zuckte die Achseln und sah weg. „Ich gebe zu, dass es guttut, dich zu sehen, Kiki.“
Darauf würde sie nicht wieder reinfallen. „Kein Kommentar.“
Er hob eine Braue. „Dann gib zu was anderem einen Kommentar ab.“
Schnell suchte Kiki nach einem sicheren Thema. „Glaubst du, dass Chris es schaffen wird?“
Stefano zuckte die Schultern, aber sie sah einen Hoffnungsschimmer in seinen Augen. „Ich werde mich erkundigen, aber ich glaube, wir haben gerade noch rechtzeitig operiert. Morgen werden wir mehr wissen.“
Kiki wusste das, aber es tat gut zu hören, dass er Hoffnung hatte. Wieder schwiegen sie. Stefano sah sie an.
„Ich glaube, da ist noch mehr, worüber wir reden müssen.“
Ein paar Mal holte Kiki tief Luft. „Warum hast du dich nicht wieder gemeldet?“
Die Kellnerin kam, notierte ihre Bestellung, lächelte und flirtete mit Stefano. Er wartete, bis sie weg war, beugte sich vor und gab eine Antwort, mit der Kiki am wenigsten gerechnet hatte.
„Ich hatte einen Unfall. Erst war ich bewusstlos und dann lange unbeweglich.“
Jetzt hatte er ihre volle Aufmerksamkeit. Kiki sah ihn an und bemerkte kleine Veränderungen. Ein paar Falten, die früher nicht da gewesen waren, ein paar silberne Strähnen in seinem schwarzen Haar und an den Schläfen. Plötzlich fiel ihr das Narbengewebe an seinem Schenkel wieder ein. Sie spielte mit dem Salzstreuer und hätte am liebsten die Hand tröstend auf seine gelegt. Aber das wäre dumm.
Kiki ließ den Salzstreuer los und zog ihre Hand zurück. „Was für ein Unfall?“
„Ein Autounfall. Ich war monatelang im Krankenhaus, und danach warst du verschwunden.“
Er legte seine Hand auf den Tisch, als wenn er wüsste, dass sie ihn tröstend berühren wollte. Aber Kiki ballte die Fäuste im Schoß, und seine Hand blieb leer.
Als Kiki nichts erwiderte, fuhr Stefano fort: „Ich habe dich gesucht, konnte dich aber nicht finden. Da beschlich mich der Verdacht, dass du vielleicht nicht gefunden werden wolltest.“
Er sah sie an und erkannte, dass es irgendwann so gewesen war.
Sollte sie ihm von ihrem kurzen Krankenhausaufenthalt erzählen? Nein, im Moment konnte sie das nicht, sie hatte das noch nicht verarbeitet.
„Ich bin auf das Schiff gegangen. Ich hatte auch viel mit meiner Familie zu tun, mein Bruder hat geheiratet, und ich habe hier neue Freunde gefunden.“
Stefano zog die Hand zurück.
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