Julia Extra Band 369
hatten Cherry und Margherita nur eine gute Viertelstunde Zeit, um den Bediensteten des Cateringunternehmens die letzten Anweisungen zu geben, dann fuhr auch schon die Hochzeitskutsche vor, gefolgt von dem eindrucksvollen Autokorso.
Ab jetzt wurde gefeiert, wie es nur in Italien möglich ist.
Trotz ihrer gedrückten Stimmung ließ sich Cherry von der überschäumenden Laune der Hochzeitsgäste anstecken. Auf diesem Fest herrschte kein starres Protokoll, man freute sich und amüsierte sich. Besonders die Kinder trugen zur Zwanglosigkeit der Zusammenkunft bei.
War es in England auf Feiern erwünscht, dass von den anwesenden Kindern möglichst wenig zu sehen und schon gar nichts zu hören war, gehörten sie hier einfach mit dazu. Die kleinsten wurden von Arm zu Arm gereicht, die etwas größeren durften nach Herzenslust spielen und toben. Das Karussell war die größte Attraktion, es war ständig belagert, und das Lachen und Jauchzen der Kinder übertönte so manchen Festredner.
Das Festmahl im Zelt verzögerte sich um geschlagene zwei Stunden. Doch daran störten sich weder die Caterer noch die Gäste, die herbeiströmten und sich lachend und scherzend einen Stuhl suchten – Platzkarten gab es nicht. Lediglich die Plätze am Kopf der Tafel waren für das Hochzeitspaar, Trauzeugen, Santos Eltern, Vittorio und Großmutter Carella reserviert.
Seit sie zurück in der Casa Carella waren, hatte Cherry die Haushälterin unterstützt und vermieden, in Vittorios Nähe zu gelangen. Als zum Essen gerufen wurde, war sie gerade mit einer netten italienischen Familie ins Gespräch gekommen, in der die Erwachsenen perfekt Englisch sprachen. Wie selbstverständlich setzte sie sich zu ihnen an den Tisch.
Verstört blickte sie auf, als Vittorio plötzlich neben ihr stand und sich höflich, aber wortlos verbeugte. Im nächsten Moment hatte er sie vom Stuhl hochgezogen und eingehakt, um sie wegzuführen.
„Was soll das?“ Sie versuchte, ihm möglichst unauffällig den Arm zu entziehen.
„Genau das wollte ich dich auch gerade fragen.“ Er lächelte grimmig. „Warum sitzt du nicht bei uns am Kopf der Tafel?“
„Ich?“ Entgeistert blickte sie ihn an. „Ich bin weder Trauzeugin, noch gehöre ich zur Familie!“
„Wenn du nicht vermittelt und geholfen hättest, hätte es diese Feier wahrscheinlich gar nicht gegeben. Außerdem will ich dich an meiner Seite haben. Ich habe bereits ein zusätzliches Gedeck bringen lassen.“
Typisch Vittorio! Unsicher, ob sie lachen oder weinen sollte, sah sie ihn an.
Gewiss, es war freundlich von ihm gemeint, ihr auf diese Weise seine Dankbarkeit zu zeigen und öffentlich Anerkennung zu zollen. Doch hatte er bedacht, wie die versammelten Gäste diese gegen jedes Protokoll verstoßende Geste deuten mussten?
Sie stemmte die Füße gegen den Boden. „Das ist zwar nett gedacht, doch ich möchte lieber auf meinem alten Platz bleiben.“
Unbarmherzig zog er sie weiter. „Mag sein, doch du wirst bei Sophia und der engeren Familie sitzen.“
„Nein!“ Peinlich berührt musste Cherry beobachten, wie sich bereits etliche Gäste neugierig zu ihnen umdrehten. „Vittorio, deine Freunde werden das völlig falsch verstehen, und deine Großmutter wird außer sich sein.“ Die alte Dame hatte Cherry bereits deutlich gezeigt, was sie von einer hergelaufenen Engländerin hielt – und das, obwohl sie kein Wort Englisch sprach.
„Das ist aber nicht die Hochzeit meiner Großmutter“, antwortete er so laut, dass einige Gäste amüsiert lächelten. Cherry schoss die Röte ins Gesicht.
„Es ist Sophias und Santos Hochzeit“, redete er unbeirrt weiter. „Beide haben sich gewünscht, dass du bei ihnen sitzt. Reicht dir das als Begründung, oder möchtest du ihnen das Fest verderben?“
Allein die Tatsache, inzwischen zum Mittelpunkt des allgemeinen Interesses geworden zu sein, bewegte Cherry, ihm zum Kopf der Tafel zu folgen. Sie empfand es als reinstes Spießrutenlaufen. Sie hätte nie gedacht, wie lang der Weg durch ein Festzelt sein konnte.
Vittorio rückte ihr den Stuhl zwischen sich und seiner Oma zurecht. Großmutter Carella behandelte sie wie Luft, worüber Santo und Sophia sich auch noch zu amüsieren schienen! Cherry biss sich auf die Lippe. Das würde sie jetzt durchstehen müssen.
Sogar für italienische Verhältnisse zog sich das Essen lange hin. Ein Gang folgte dem anderen, alles, was die Küche Apuliens an Köstlichkeiten zu bieten hatte, wurde aufgetischt, und der Wein floss in
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