Julia Extra Band 370
paar Minuten lang im Zaum halten?“
Der Freiwillige brauchte ihre Hilfe jedoch nicht. „Achtundzwanzig Dollar Ihres Eintrittsgelds gehen in die Walforschung. Die restlichen zwei Dollar helfen uns, die Naturparklizenz zu bezahlen.“
„Was hindert mich daran, morgen um diese Zeit mit meinem eigenen Fisch hier herumzuwedeln?“
Shirley presste die Lippen zusammen.
„Nichts“, gab der Mann zu. „Aber bei uns können Sie zusätzlich eine Menge über diese erstaunlichen Tiere lernen.“
Das ließ sich Hayden anscheinend durch den Kopf gehen.
„Was zum Beispiel?“, fragte Shirley.
Der ehrenamtliche Mitarbeiter überhäufte sie mit Geschichten von der Intelligenz der Delfine, ihrer Sensibilität und von unerklärlichen Erlebnissen mit ihnen.
„Meine Kollegin Jennifer arbeitete schon vier Jahre hier, als Rhoomba, das große Männchen …“, er zeigte auf einen der Delfine, „… sie immer wieder am rechten Oberbauch anzustupsen begann. Er war ganz besessen davon. Ein alter Fischer, der diese Gewässer gut kennt, riet ihr, sich untersuchen zu lassen. Sie hatte einen Tumor hinter der Leber. Ein Jahr war sie wegen ihrer Operation und der Chemotherapie nicht am Strand. Bei ihrer Rückkehr hat Rhoomba sie noch ein Mal angestupst und dann nie wieder.“
Hayden zog die Augenbrauen bis über den Rand seiner Sonnenbrille hoch.
„Wie geht es Ihrer Kollegin jetzt?“, fragte Shirley schnell, bevor Hayden etwas Unangenehmes sagen konnte.
„Gut. Sie ist kerngesund.“
Sie blieben noch fünfzehn Minuten im Wasser, nachdem die Delfine wieder zu ihrer Herde geschwommen waren. Der Ehrenamtliche redete, Shirley warf Fragen ein, und Hayden machte ein finsteres Gesicht.
„Schreiben Sie gut über uns, Shiloh“, sagte der Mann abschließend.
„Ganz bestimmt“, versicherte sie ihm. „Es war wunderbar, vielen herzlichen Dank.“
Er watete zurück an den Strand.
Hayden auch. Nach ein paar Schritten merkte er, dass sie nicht folgte. „Shirley?“
„Ich komme gleich.“ Sie blickte aufs Meer hinaus. „Ein weiterer Wunsch erfüllt, Mum. Ich hätte es lieber mit dir zusammen gemacht als mit … Aber es ist ein Anfang, stimmt’s?“
Das Rauschen des Seewinds war die einzige Antwort. Es genügte.
Dann hörte Shirley direkt hinter sich eine Männerstimme, kühl und neugierig.
„Warum willst du mich eigentlich unbedingt dazu bringen, mit dieser Liste zu beginnen?“
Ich hätte es lieber mit dir zusammen gemacht als mit …
Mit ihm.
Wenn er Zweifel gehabt hätte, was sie meinte, so wären sie in dem Moment verschwunden, in dem sie sich umdrehte und ihn entsetzt ansah. Ihr Gesicht war noch blasser als sonst.
„Ich dachte, du bist an Land gegangen.“ Ohne seine Frage zu beantworten, watete Shirley zum Strand.
Hayden gab ihr Zeit, sich zu fangen. Und genoss den Anblick, als der Meeresboden anstieg und zuerst der durchnässte Wickelrock und dann diese lächerlichen Strümpfe zu sehen waren. Nur waren sie nicht völlig lächerlich, sondern auch faszinierend. Wie sie oberhalb ihrer Knie hafteten. Der Streifen Haut zwischen dem Rock und den Strümpfen war wirklich verlockend. Obwohl weiter oben noch viel mehr nackte Haut zu besichtigen war.
Das ist verbotenes Gebiet, es ist ihre Privatsphäre, ermahnte sich Hayden.
Und es war wahnsinnig sexy. Langsam folgte er ihr, während das Verlangen in ihm brannte.
Am Strand hob Shirley ihr Handtuch auf und drückte es sich an den Körper. Das half Hayden einigermaßen, sich zu konzentrieren.
„War es so leicht, sie zu vergessen, Hayden? Oder war das damals nur eine dramatische Geste für ein Publikum?“
Ja, er hatte geschworen. Und dann hatte er nichts getan. Gar nichts. Aber er wollte sich nicht schuldig bekennen. „Warum ist das so wichtig für dich?“
„Weil sie dir so viel ihrer Zeit geschenkt hat. Tagsüber hat sie dich unterrichtet, abends hat sie deine Seminararbeiten beurteilt und samstags nachmittags hat sie ihren besten Studenten mit den Treffen bei uns zu Hause belohnt.“
„Anstatt mit dir zusammen zu sein? Ist es das, was du meinst?“
Shirley schüttelte den Kopf, wurde aber rot. „Sie hat dir so viel gegeben, Hayden. Und als sie starb, hast du einfach mit den Schultern gezuckt und weitergemacht?“
Er hätte sich nicht an die Spitze auf seinem Gebiet hocharbeiten können ohne ein wenig Menschenkenntnis. Hier ging es nicht wirklich um ihn. Allerdings war er nicht sicher, worum es ging.
„Jedes einzelne Kästchen neben deinem Namen ist leer.
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