Julia Extra Band 374
wären Sie bestimmt eine hervorragende Küchenchefin. Sie sollten es machen.“
„Ich weiß nicht …“ Ihr war klar, dass sie willensschwach klang, aber die andere Seite des Problems hatte sie bisher nicht erklärt. „Ich liebe meine Eltern. Sie sind unerträglich herrschsüchtig, aber ich liebe sie und möchte ihnen nicht wehtun. Obwohl ich es wahrscheinlich muss.“ Sie lächelte. „Ich werde mir überlegen, ob es möglich ist, ihnen schonend wehzutun.“
Nach ein oder zwei Sekunden lächelte Niklas auch. Es war ein nachdenkliches Lächeln. Weil er sie wegen ihrer Schwäche bemitleidete? Dabei hielt sie sich gar nicht für schwach.
„Kochen Sie oft?“
„Fast nie. Mir fehlt einfach die Zeit. Aber an meinem nächsten freien Wochenende werde ich das Gericht zubereiten, das ich eben gegessen habe. Auch wenn ich meistens auf Nummer sicher gehe und im Restaurant etwas bestelle, was ich kenne, möchte ich so viele Gerichte einmal ausprobieren.“
Sie lagen da, sahen sich an und redeten über Essen. Das mochte für manche langweilig klingen, für Meg war es das beste Gespräch ihres Lebens.
Niklas erzählte ihr von einem Restaurant in der Innenstadt von São Paulo, das er häufig besuchte. Es war berühmt für seine Meeresfrüchte, aber er bestellte immer die feijoada , einen Eintopf aus schwarzen Bohnen und Fleisch. Der schmecke, als hätten ihn Engel zubereitet, sagte er.
In diesem Moment erkannte Meg, dass sich zu ihrer einen vernachlässigten Leidenschaft gerade eine zweite gesellte. Weil Niklas’ Blick so intensiv und seine Worte so interessant waren und sie wünschte, dieser Flug würde niemals enden …
„Wie kommt es, dass Sie drei Fremdsprachen sprechen?“
„Es ist gut, dass ich es tue. Dadurch kann ich in vielen Ländern Geschäfte machen.“ Niklas erzählte ihr, dass er auf dem internationalen Finanzmarkt tätig war. Und dann, sehr ungewöhnlich für ihn, erzählte er ihr noch ein kleines bisschen mehr. Etwas, worüber er sonst mit niemandem redete. „Eine der Nonnen, die mich betreut haben, als ich noch ein Baby war, sprach nur Spanisch. Mit drei oder vier Jahren bin ich in ein anderes Waisenhaus verlegt worden. Damals war ich schon zweisprachig. Englisch habe ich mir später selbst beigebracht, und viel später noch Französisch.“
„Wie?“
„Ich hatte einen Freund, der Engländer war. Ich habe ihn gebeten, nur Englisch mit mir zu sprechen. Und ich habe englische Zeitungen …“ Er wollte sagen, dass er sie aus dem Müll gefischt hatte, änderte den Satz jedoch um. „… gelesen.“
„In welcher Sprache träumen Sie?“
Er lächelte über Megs Frage. „Je nachdem, wo ich gerade bin – wo ich mit meinen Gedanken bin.“ Er verbringe viel Zeit in Frankreich, besonders im Süden, erklärte er Meg. Sie fragte ihn, wo er am liebsten war. Natürlich in São Paulo. Die Antwort lag ihm auf der Zunge, schließlich freute er sich darauf, in die Stadt zurückzukehren, zu dem pulsierenden Leben und den schönen Frauen. Aber dann gab er eine Antwort, die ihn selbst überraschte. Er beschrieb ihr das Gebirge weit weg von der Stadt, den Regenwald, die Flüsse und Quellen dort. „Vielleicht sollte ich mir in der Gegend ein Haus kaufen“, sagte er.
Und dann dankte er ihr.
„Wofür?“
„Dafür, dass Sie mich zum Nachdenken gebracht haben. Ich hatte vor, mir freizunehmen. Nur wäre im Urlaub alles so wie immer gewesen …“ Die Frauen erwähnte Niklas nicht, auch nicht die Nachtklubs und die Reporter, die auf der Jagd nach dem neuesten Skandal ständig hinter ihm her waren.
Meg verriet ihm, dass sie auch die Berge dem Strand vorzog, obwohl sie in Bondi wohnte. Gemeinsam änderten sie ihren Zukunftstraum um: Jetzt wollte sie nicht mehr Küchenchefin in einem großen Hotel werden. Stattdessen würde sie eine kleine Ferienpension in den Bergen betreiben.
Danach fragte Meg ihn nach seinem Leben. Und Niklas, der sehr selten irgendetwas von sich preisgab, erzählte ihr davon in dieser unwirklichen Nacht. Nicht alles, aber ein wenig. Schließlich würde er die junge Frau nie wiedersehen.
Er erzählte ihr, wie er sich selbst Lesen und Schreiben beigebracht, wie er sich durch Zeitungslesen gebildet hatte. Dass ihn der Wirtschaftsteil immer fasziniert hatte und es ihm leicht gefallen war, die Zahlen zu deuten, die auf andere einschüchternd zu wirken schienen.
„Haben Sie noch einen Wunsch, Mr Dos Santos?“ Der Steward sah nach ihm, offensichtlich machte er sich Sorgen, dass der hoch
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