Julia Extra Band 375
ganzes Jahr vorschießen?“
„Versuchst wohl immer noch, deinen Sohn auf die Trenton Academy zu schicken, was?“
Leanne öffnete den Kühlschrank und holte einige Plastikgefäße mit verschiedenen Zutaten für einen Salat heraus. „Du weißt schon, dass es nicht das Ende der Welt ist, auf eine öffentliche Schule zu gehen.“
„Ich weiß.“ Liz wusste auch, dass Leanne sie wegen dieser Sache für elitär hielt. Wie die meisten ihrer Kollegen schickte sie ihre Kinder auf die Gilmore High und verstand nicht recht, warum Liz unbedingt wollte, dass Andrew auf eine Privatschule ging.
Wenn sie Leanne jedoch ihre Gründe erklären wollte, musste Liz unangenehme Einzelheiten ihrer verpfuschten Jugend preisgeben. Das kam nicht infrage. Es war schon schlimm genug, dass man allein mit ein paar einfachen Berechnungen einen Teil ihrer Geschichte erahnen konnte.
Liz lenkte das Gespräch auf ein anderes Thema. „Danke, dass du mir die Berichte heute früh noch geschickt hast. Mr Bishop wollte sie unbedingt haben.“
„Er hat es immer schrecklich eilig“, knurrte Leanne und verteilte Dressing über ihren Salat. „Der Mann kommt definitiv nicht nach seinem Vater. Ron hat uns immer rechtzeitig Bescheid gegeben.“
Das stimmt, dachte Liz bei sich und biss von ihrem Peanutbutter-Sandwich ab.
„Und was findet er eigentlich an Kalkulationstabellen so faszinierend?“, fragte Leanne.
„Der Mann liebt seine Zahlen.“
Leanne beugte sich zu ihr hinüber und ihre Augen leuchteten, als hätte sie ein Geheimnis, das sie nicht länger für sich behalten konnte. „Paul aus der Personalabteilung hat mir gesagt, dass Bishop das Firmen-Barbecue gestrichen hat. Unverschämt, was?“
Absolut! Offensichtlich war Charles Bishop fest entschlossen, jeden Cent aus dem Unternehmen zu schlagen. Die Zufriedenheit der Angestellten spielte für ihn keine Rolle. Wie kann sich jemand so grundlegend von seinem Vater unterscheiden?
Ein Geräusch am Eingang ließ die beide aufschrecken. Seitdem Charles die Firma übernommen hatte, waren alle äußerst angespannt. Erleichtert stellten sie fest, dass es Van Hancock und Doug Metcalf waren, zwei der Vertriebsleiter der Firma.
„Redet ihr über den neuen Boss?“, fragte Van und strich sich einige Schneeflocken aus dem kurz geschnittenen grauen Haar.
„Pst“, zischte Leanne. „Nicht so laut!“
„Sorry.“ Er senkte die Stimme ein wenig. „Also, was hat der Eiskönig jetzt wieder angestellt?“
„Er hat das Firmen-Barbecue gestrichen.“
„Das überrascht mich nicht“, antwortete Van.
„Bin gespannt, wann er die ganze Firma verkauft“, sagte daraufhin Doug. „Ich meine, darauf läuft es doch hinaus.“
„In den Artikeln im Internet über ihn steht es zumindest so“, sagte Leanne. „Warum sollte er also bei uns eine Ausnahme machen?“
Liz dachte an die Expresslieferung aus China, sagte aber nichts. Sie war zwar wütend auf ihren Boss, doch das bedeutete nicht, dass sie geheime Informationen ausplauderte. Bürotratsch war schon immer unter ihrem Niveau gewesen.
„Da fragt man sich schon, was in Ron vorging, als er sein Testament aufgesetzt hat“, fuhr Leanne fort und schob sich ein Blatt Salat in den Mund.
„Vielleicht hat er gedacht, dass sein Sohn mit dieser Firma anders verfahren würde“, meinte Doug. „Weil sie seinem Vater gehört hat.“
„Ja, genau“, entgegnete Leanne spöttisch. „Hat irgendeiner von euch überhaupt gewusst, dass Ron einen Sohn hat?“
„Er hat mal so was erwähnt“, sagte Van zwischen zwei Bissen von seinem Cheeseburger.
Liz horchte auf. Wie die meisten von ihnen hatte sie keine Ahnung gehabt, dass Ron Bishop und der Corporate Raider Charles Bishop miteinander verwandt waren. „Was hat er damals gesagt?“
„Nicht viel“, antwortete Van achselzuckend. „Das war, als sich mein Ältester vor einigen Jahren für ein College entscheiden musste. Damals hat Ron gesagt, dass sein Sohn an irgendeiner technischen Universität studiert hat. Ich war überrascht, weil ich vergessen hatte, dass Ron mal verheiratet war.“
„Das wusste ich alles gar nicht“, sagte daraufhin Doug.
Liz ging es genauso. Zehn Jahre lang hatten Ron und sie zusammen gearbeitet und er hat nie etwas davon erwähnt. Sie suchte nach einer Erklärung und sagte mehr zu sich selbst: „Vielleicht hat er nicht darüber gesprochen, weil das Thema zu schmerzhaft für ihn war.“
„Darauf kannst du wetten“, antwortete Leanne und nahm noch eine Gabel vom Salat.
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