Julia Extra Band 376
Wettkämpfe.“
„Gabriel hat mir erzählt, Sie hätten das früher gemacht.“
„Ja. Ich wollte zu Olympia. Das hieß, jeden Tag fünfzehn bis zwanzig Kilometer schwimmen. Außerdem Krafttraining und Laufen.“
„Mein Gott, das hört sich schlimm an.“
„Man gewöhnt sich dran. Aber irgendwann ließ es sich nicht mehr mit meinen anderen Pflichten vereinbaren. Jetzt mache ich es nur noch, um in Form zu bleiben.“
Das sieht man, dachte sie. „Schade, dass Sie Ihren Traum nicht bis zum Ende verfolgen konnten.“
„Ja, etwas enttäuscht war ich schon. Aber nicht wirklich verzweifelt. Es warteten eben andere Aufgaben auf mich.“
„Das muss wundervoll gewesen sein, hier aufzuwachsen“, sagte Vanessa und deutete auf den Pool, den Garten, den Palast.
„Es gibt sicher Schlimmeres.“ Marcus lächelte. Sein Gesicht schien nur noch aus Grübchen und strahlend weißen Zähnen zu bestehen.
Vanessa lachte. Manchmal vergaß man völlig, den künftigen König vor sich zu haben. Er wirkte so … normal. Auch wenn sie mit Gabriel genauso gut reden konnte, blieb er doch immer ein wenig ernster und förmlicher. Gabriel strahlte Selbstvertrauen aus, und das wirkte auf Vanessa immer ein wenig berauschend. Selbst wenn er in seiner Rolle als König jemals Zweifel haben sollte, würde er sie nie zeigen.
Marcus besaß zwar die gleiche selbstsichere Ausstrahlung, aber er hatte keine Angst davor, auch seine verletzliche Seite zu zeigen. Genau das war so ungemein attraktiv an ihm, besonders für eine Frau wie sie, die ständig von Selbstzweifeln geplagt wurde.
„Um ehrlich zu sein: Die längste Zeit meiner Kindheit habe ich nicht hier verbracht, sondern in Internaten“, sagte Marcus. „Aber in den Schulferien war ich immer hier.“
„Ich glaube nicht, dass ich mein Kind ins Internat schicken könnte. Es würde mir das Herz brechen.“
„Für meine Eltern war das wahrscheinlich normal. Auch mein Vater war auf dem Internat und vor ihm sein Vater.“
„Aber Ihre Mutter doch nicht, oder? Hat es ihr gar nichts ausgemacht?“
„Sie hat mich vermisst, aber wie gesagt, für uns war das normal. Sie hatte schließlich ihre Pflichten als Königin.“
Plötzlich drängte Vanessa sich ein Gedanke auf, und sie hielt erschrocken den Atem an. „Wenn ich Ihren Vater heirate, muss ich Mia dann ins Internat geben?“
Marcus schien einige Augenblicke lang nicht zu wissen, was er sagen sollte. „Ich vermute, mein Vater würde das erwarten“, sagte er endlich.
„Und wenn ich mich weigere?“
„Sie ist Ihr Kind, Vanessa. Sie sollten Ihre Tochter so erziehen, wie Sie es für richtig halten.“
Aber falls Gabriel Mia adoptierte, dann war sie auch sein Kind. Und er hatte bereits angedeutet, dazu bereit zu sein. Bisher hatte sie nur die Vorteile gesehen, doch jetzt war sie sich nicht mehr so sicher. Was, wenn sie unterschiedlicher Meinung waren, wie ein Kind aufwachsen sollte? Und falls sie gemeinsam ein Baby bekämen, hätte sie da nicht noch weniger zu sagen als bei Mia?
„Darüber werde ich wohl mit ihm reden müssen, wenn er wieder da ist“, sagte sie. „Was halten Sie davon, die eigenen Kinder auf ein Internat zu geben?“
„Ich habe noch nie darüber nachgedacht“, gab Marcus zu. „Ich würde wohl zunächst einmal die Meinung meiner Frau anhören.“
Meint er das wirklich so?
Vanessa hörte ihr Telefon klingeln. Es könnte Gabriel sein, dachte sie und sprang schnell aus dem Wasser. Als sie die Nummer ihres Vaters auf dem Display sah, erschrak sie. Unzählige Male hatte sie das Gespräch im Kopf durchgespielt. Doch jetzt traute sie sich nicht ranzugehen. Sie wartete ab, bis eine neue Mailbox-Nachricht angezeigt wurde.
„Hallo Nessy, ich bin’s, dein Daddy.“ Sie zuckte zusammen. Sie war eine erwachsene Frau, aber noch immer sagte er Daddy und Nessy . Einmal abgesehen davon, dass sie es immer schon gehasst hatte, so genannt zu werden. Als hätte sie etwas mit einem schottischen Ungeheuer gemeinsam. „Ich habe gehofft, dich noch vor der Arbeit zu erreichen. Meine Einheit trifft sich nächste Woche; dann komme ich nach Los Angeles.“
Verdammt! Sie schloss die Augen und seufzte laut.
„Unser Treffen beginnt Freitag in einer Woche. Aber vorher will ich noch meine Enkelin sehen. Deshalb nehme ich schon einen Flug am Donnerstagmorgen.“
Er kam also nicht, um sie zu besuchen, sondern wegen Mia – die er die ersten drei Monate nach ihrer Geburt immer nur dein letzter Fehler genannt hatte. Vanessa hatte ihm
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