Julia Extra Band 376
Stelle zu feuern. Er ist dein Angestellter, aber sein persönliches Prestige ist ihm wichtiger als sein Job. Es ist deine Entscheidung, Luisa. Aber du solltest dir vielleicht überlegen, einen geeigneteren Mann zu finden, der deine Pläne nicht untergräbt.“
Unversehens zog Raul sie in die Arme, und sie fühlte, wie ihre Knie weich wurden. „Du … hast also gar nichts dagegen, was ich entschieden habe?“
„Warum sollte ich?“ Er streichelte zärtlich ihren Rücken. „Es ist doch toll, dass du auf die Leute zugehst und sie anhörst. Ich bin stolz auf das, was du in den wenigen Tagen angeregt hast.“
Der liebevolle Ausdruck in seinen Augen verschlug ihr die Sprache. Er war ihr gar nicht böse, im Gegenteil! Ein warmes Glücksgefühl durchströmte sie, weil Raul ihr gegenüber dem Haushofmeister den Rücken gestärkt hatte. Weil er bereit war, sie zu unterstützen. Weil es ihm anscheinend wichtig war.
Luisas Glücksgefühl hielt an. Wie eine wärmende Glut setzte es sich in ihrem Herzen fest und vertrieb die lähmende Kälte.
Mit jeder Woche wuchs ihre Zufriedenheit. Sie begann, Monteregio und die Monteregianer zu lieben. Selbst die winzige Provinz Ardissia, die ihr jahrelang nur als Albtraum im Gedächtnis geblieben war, wuchs ihr allmählich ans Herz. Sie konnte sich wirklich vorstellen, hier glücklich zu werden.
Und dann war da natürlich Raul. Er konnte unerwartet liebevoll und zärtlich sein, selbst wenn die erotische Spannung zwischen ihnen immer spürbar blieb. Der Sex zwischen ihnen war einfach überirdisch gut, und jedes Mal, wenn sie sich in die Arme sanken, hatte Luisa das Gefühl, dem wirklichen Raul hinter der beherrschten Fassade ein Stück näher zu kommen.
Angesichts seiner Kindheit und seiner schmerzlichen Erfahrungen in jüngeren Jahren war es wirklich kein Wunder, dass er niemanden an sich heranließ. Doch nach und nach taute er tatsächlich auf und zeigte Luisa ganz neue Seiten von sich. So entdeckte sie einen herrlich trockenen Humor an ihm, den sie nicht für möglich gehalten hätte. Gleichzeitig hatte sie jeden Tag Gelegenheit, zu beobachten, wie er all seine Kräfte und Fähigkeiten in den Dienst seines Landes stellte, und sie wusste, dass es keinen geeigneteren Nachfolger auf dem Fürstenthron geben konnte.
Das dämpfte ihren Zorn über die drastischen Maßnahmen ihr gegenüber, mit denen er sich das Thronerbe gesichert hatte. Inzwischen wusste sie längst, dass Raul kein gefühlloses Monster war. In mancher Hinsicht war er sogar genauso ein Opfer der Umstände wie sie.
Doch trotz aller positiven Entwicklungen gelang es Luisa nie, ganz zu vergessen, dass sie für ihn immer nur die Frau sein würde, die er hatte heiraten müssen. Wenn sie daran dachte, versetzte es ihr einen Stich mitten ins Herz. Denn obwohl Raul sich ganz gewiss bemühte, das Beste aus ihrer Zweckehe zu machen, war Luisa das passiert, was eigentlich undenkbar und verboten war: Sie hatte sich in ihn verliebt.
Paradoxerweise erfüllte sie diese Erkenntnis zugleich mit Schmerz und Freude. Die Liebe war ein so unfassbar großes Gefühl, dass sie ihre Ängste überwog. Es gab doch bestimmt einen Weg, ihre Ehe zu einer guten zu machen und in Raul die gleichen Gefühle zu wecken?
„Du sitzt hier so allein?“
Rauls Frage schreckte sie aus ihren Gedanken. Sie errötete ertappt und hätte sich am liebsten in seine Arme geworfen. Wie gern hätte sie ihm ihre Liebe gestanden und ihn gebeten, sie auch zu lieben.
Wenn es nur so einfach wäre!
Stattdessen blieb sie sitzen und wich seinem Blick aus, damit er nicht erriet, was sie für ihn empfand. „Mein Sprachunterricht ist zu Ende, und ich habe versucht, die Zeitung zu lesen. Es ist auch ein Foto von dir darin, aber der Artikel ist noch zu schwer für mich.“
Er blieb hinter ihr stehen und beugte sich vor, um einen Blick in die Zeitung zu werfen. „Das ist ein Gerichtsreport. Warum versuchst du nicht etwas Einfacheres?“
„Worum geht es denn in dem Artikel?“
„Es ist nur ein Prozess gegen Leute, die illegal verbotene Waffen gehortet haben.“
„Und du warst als Zeuge geladen?“ Endlich war es ihr gelungen, die Schlagzeile zu übersetzen. „Hier steht etwas von einem bewaffneten Überfall. Einem Komplott … und hier … Was bedeutet das Wort?“
Raul zögerte sichtlich mit der Antwort. „Attentat.“
Sie sah ihn erschrocken an. „Wer sollte Ziel dieses Attentats sein?“
Raul seufzte resigniert. „Das Kabinett. So viele Regierungsmitglieder wie
Weitere Kostenlose Bücher