Julia Festival Band 0103
Hühnchen vom Herd zu nehmen. Sie machte sich Tee, nahm eine Illustrierte und setzte sich auf die Couch. Finn sollte nicht den Eindruck bekommen, dass sie auf ihn gewartet hätte – obwohl es natürlich so war. Es schien ihr Los zu sein, ständig auf Finn warten zu müssen. Aber was konnte sie daran ändern? Sie hatte einen viel beschäftigten Verlobten, mit dem sie nicht ständig zusammen sein konnte, obgleich sie in seiner Agentur arbeitete.
Dies war ein Aspekt ihrer Beziehung zu Finn, vor dem sie Angst hatte: Ohne Finn fühlte sie sich nur wie ein halber Mensch, was im krassen Gegensatz zu ihrer Überzeugung stand, dass eine Frau auch allein leben konnte. Wenn dieser hochgewachsene Mann mit den zerzausten Haaren und den grünen Augen jedoch nicht in der Nähe war, fühlte Amber sich einfach nicht glücklich.
Sie musste beim Lesen eingeschlafen sein, was ihr normalerweise nie passierte, denn als sie die Augen aufschlug, beugte sich Finn über sie. Er sah blass aus, und seine Miene wirkte verschlossen.
Sofort richtete Amber sich auf. Sie hatte Kopfschmerzen, und das Licht der Deckenlampe, die Finn eingeschaltet hatte, blendete sie so stark, dass sie blinzeln musste.
„War es ein stressiger Tag für dich?“, fragte er und verzog spöttisch den Mund.
„Nein, natürlich nicht. Du weißt doch, dass ich heute Nachmittag freihatte …“
„Es sollte auch kein Vorwurf sein“, antwortete er gereizt. „Du hast dir jedoch den denkbar ungünstigsten Tag ausgesucht, denn im Büro war heute die Hölle los – wie immer, wenn Jackson in der Weltgeschichte herumschwirrt, anstatt an seinem Schreibtisch zu sitzen.“
Einen solchen Ton ihr gegenüber war Amber von Finn nicht gewohnt. Sein Verhalten unterschied sich so stark von dem des romantischen Liebhabers, als den sie Finn im Interview beschrieben hatte, dass sich Amber ziemlich dumm vorkam.
„Das konnte ich vor vier Wochen doch schließlich nicht wissen, oder?“, fragte sie ruhig. „Ich habe auf ausdrücklichen Wunsch deines Buchhalters hin freigenommen, weil er mich gebeten hatte, meine Überstunden unbedingt in den nächsten Wochen abzubummeln.“
„Stimmt, das hatte ich ganz vergessen.“ Müde rieb er sich die Schläfen und seufzte. „Ich bin einfach erschöpft. Fast den ganzen Nachmittag hatte ich Birgitta aus New York am Telefon.“
„Und wer ist Birgitta?“
„Karolina Lindbergs Mutter. Du hast sie auch schon getroffen, kannst du dich nicht erinnern? Sie ist eine ausgesprochen gut aussehende Frau.“
Amber runzelte die Stirn. Sie hatte täglich mit so vielen schönen Frauen zu tun, dass sie auf deren Aussehen gar nicht mehr besonders achtete. Bei Finn jedoch war das anscheinend anders. Sein Beruf bedingte, dass er Frauen nach ihrem Äußeren zu beurteilen hatte. Dass er jedoch die Mutter eines der Models als „ausgesprochen gut aussehend“, bezeichnete, verletzte sie. Sie versuchte jedoch, es sich nicht anmerken zu lassen, und tat interessiert.
„Außergewöhnlich groß und weißblondes Haar?“, fragte sie. „War vor Karolinas Geburt selbst Model?“
„Genau.“ Finn nickte.
Karolina war die neueste Entdeckung der Agentur und versprach, ein ausgesprochenes Topmodel zu werden. Gerade sechzehn, weißblond und langbeinig wie ihre Mutter, hatte sie das gewisse Etwas, das man zu einer Starkarriere brauchte.
Amber hatte plötzlich ein ungutes Gefühl und kniff die Augen zusammen. „Gibt es auch einen Mr. Lindberg?“, wollte sie wissen.
Finn schüttelte den Kopf. „Die beiden haben sich gerade getrennt, und die Situation wird von allen dreien als sehr belastend empfunden. Deshalb möchten Birgitta und Karolina auch unter keinen Umständen nach Schweden zurück, sondern wollen fürs Erste in London wohnen.“
„Und was hast du damit zu tun?“ Der Druck, den Amber in der Magengegend verspürte, verstärkte sich.
„Die beiden möchten die Wohnung der Agentur haben, um sich in Ruhe um eine endgültige Lösung bemühen zu können.“
Es war durchaus üblich, dass große Agenturen Apartments besaßen, in denen Models, die nicht aus London kamen und am Anfang ihrer Karriere standen, günstig wohnen konnten. Auch Finns Agentur verfügte über eine kleine Wohnung.
„Nicht nur Karolina, sondern auch ihre Mutter will dort leben? Ist sie nicht schon etwas zu alt, um sich in derart spartanischen Verhältnissen wohlzufühlen?“
Finn warf ihr einen missbilligenden Blick zu. „Karolina ist noch nicht volljährig! Gerade jetzt, da alles noch neu
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